ROUNDUP/Nachfrageschwäche: Covestro vorsichtiger - Übernahmefantasie im Fokus

dpa-AFX · Uhr

LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Kunststoffkonzern Covestro macht nach einem schwachen ersten Halbjahr keine Hoffnung auf eine Geschäftsbelebung in der zweiten Jahreshälfte. "Wir befinden uns nach wie vor in einem konjunkturell herausfordernden Umfeld", sagte Finanzvorstand Thomas Toepfer bei der Vorlage der Quartalszahlen am Dienstag laut Mitteilung. Daher dürften die Resultate 2023 eher in der unteren Hälfte der bisherigen Spannen für den operativen Gewinn und den freien operativen Mittelzufluss liegen. Zu den Spekulationen über ein Übernahmeinteresse des staatlichen Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil (Adnoc) wollte sich Konzernchef Markus Steilemann im Gespräch mit der Finanznachrichten-Agentur dpa-AFX nicht äußern.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte im Juni unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen von ersten Gesprächen zwischen Adnoc und Covestro-Vertretern in Leverkusen berichtet. Die demnach damals offerierten 55 Euro je Aktie seien mittlerweile auf 57 Euro aufgestockt, hieß es dann Mitte Juli. Sollte Covestro offizielle Verhandlungen mit Adnoc aufnehmen, könnte es den Insidern zufolge Spielraum für weitere Erhöhungen des Angebots geben. Allerdings schaue sich Adnoc auch anderweitig nach Kaufkandidaten um im Bestreben, die Geschäfte breiter aufzustellen.

Vor dem Hintergrund der fortgesetzten Übernahmespekulationen hinterließ der tristere Jahresausblick denn auch nur kleinere Kratzer am Aktienkurs von Covestro. Die Papiere fielen am Vormittag um 0,6 Prozent auf 48,53 Euro. Vor dem Aufkommen der Übernahmefantasie hatten sie um die 40 Euro gekostet, seither schwanken sie zwischen 48 und 50 Euro.

Im abgelaufenen zweiten Quartal bekamen die Leverkusener eine Schwäche der Bauwirtschaft sowie die Zurückhaltung vieler Verbraucher beim Kauf von Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten und Möbeln zu spüren. Schwächeln diese Bereiche, lahmt auch die Nachfrage nach den Hart- und Weichschaumvorprodukten des Unternehmens, die zu Dämmmaterial, Polstern und ähnlichem verarbeitet werden. Und auch harte Kunststoffe, Polycarbonate, etwa für Laptop- und Smartphone-Gehäuse, sind dann weniger gefragt. Die Erlöse fielen in den Monaten April bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut ein Fünftel auf 3,7 Milliarden Euro.

Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) knickte um knapp 30 Prozent auf 385 Millionen Euro ein. Damit verfehlten die Leverkusener die durchschnittlichen Analystenschätzungen beim Umsatz, hielten sich beim operativen Ergebnis aber knapp darüber. Das Bild gleicht dem ersten Quartal, als Kostensenkungen dem Konzern gewinnseitig ein Stück weit geholfen hatten.

Besonders deutlich waren die Einbußen in der Sparte Performance Materials rund um das Massengeschäft mit Standard-Polycarbonaten, Standard-Urethankomponenten sowie Basischemikalien.

Die Sparte Solutions & Specialties, in der Covestro Spezialprodukte wie maßgeschneiderte Urethankomponenten, Beschichtungen und technische Kunststoffe anbietet, schaffte trotz eines Umsatzrückgangs indes sogar ein kleines Plus beim operativen Ergebnis.

Unter dem Strich verdienten die Leverkusener im zweiten Quartal 46 Millionen Euro, nach 199 Millionen vor einem Jahr. Der operative freie Mittelfluss - also das Geld, was im Tagesgeschäft bei Covestro hängen bleibt oder abfließt - war mit minus 10 Millionen Euro derweil deutlich besser als vor einem Jahr mit minus 462 Millionen. Das hatte damals allerdings an der Auszahlung der Mitarbeiter-Boni für das außergewöhnlich starke Jahr 2021 gelegen.

Für 2023 geht die Konzernführung nun eher vom unteren Ende der Spannen von 1,1 bis 1,6 Milliarden Euro operativem Gewinn sowie 0 bis 500 Millionen Euro freiem operativen Mittelzufluss aus. Die durchschnittlichen Analystenschätzungen lagen bislang in etwa in der Mitte der Bandbreiten.

Dabei erwartet Steilemann mit Blick auf die Elektro- und Elektronikindustrie sowie die Möbelindustrie eine fortgesetzt triste Nachfrage. "In der Bauindustrie sollte diese negative Entwicklung eher stärker ausgeprägt sein, weil wir hier durch Inflations- und Zinsdruck wahrscheinlich eine weitere Abschwächung bei den Darlehen sehen werden." Positive Ausnahme in dem trüben Bild sei die Autobranche, in der Covestro überwiegend Materialien für Premiumfahrzeuge liefert.

In diesem Umfeld dürfte laut Steilemann der Preisdruck im dritten Quartal vor allem in den Geschäften mit Standardmaterialien andauern. Wie groß der negative Preiseffekt auf Konzernebene sein dürfte, spezifizierte der Manager nicht genau.

Zum Vergleich: Im zweiten Jahresviertel schlugen fallende Verkaufspreise beim operativen Gewinn mit gut einer halben Milliarde Euro ins Kontor. Ein Stück weit aufgefangen wurde das durch niedrigere Rohstoffkosten, die vor Jahresfrist kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges noch nach oben geschnellt waren.

Alles in allem stellt Covestro für das laufende dritte Quartal ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 240 bis 340 Millionen Euro in Aussicht. In der Mitte der Spanne wäre das ein Rückgang um rund vier Prozent zu den im dritten Jahresviertel 2022 erzielten 302 Millionen Euro./mis/men/nas

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