Maue Agraraussichten belasten Bayer - Auch 2025 Ergebnisrückgang befürchtet
Frankfurt (Reuters) - Prognosesenkungen, Abschreibungen und der zähe Rechtsstreit um den Unkrautvernichter Glyphosat: Das lahmende Agrargeschäft zieht Bayer immer stärker nach unten.
Der Pharma- und Agrarkonzern senkte am Dienstag zum zweiten Mal seine Ergebnisprognose für dieses Jahr und erwartet auch 2025 keine Besserung. "Insgesamt haben wir für kommendes Jahr eher gedämpfte Erwartungen in Bezug auf Umsatz und Ergebnis, und Letzteres wird voraussichtlich zurückgehen", sagte Finanzchef Wolfgang Nickl. Damit droht dem Traditionsunternehmen aus Leverkusen das dritte Jahr in Folge mit rückläufigen Ergebnissen. Bayer-Aktien fielen um bis zu 14 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 21,04 Euro.
Allein seit Jahresbeginn hat das Unternehmen gut ein Drittel seines Börsenwertes verloren - mehr als jeder andere Dax-Konzern. Seit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto 2018 hat die Aktie knapp 80 Prozent an Wert eingebüßt. "Die Transformation von Bayer muss dringend beschleunigt werden und das Management muss endlich eine nachhaltige Wachstumsstrategie mit konkreten mittelfristigen Zielen für Umsatz, Gewinn und Schuldenabbau kommunizieren", forderte Fondsmanager Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment. Doch bei dem von Vorstandschef Bill Anderson verordneten Neustart sorgt der Agrarbereich, den Vorgänger Werner Baumann mit Monsanto massiv ausgebaut hatte, für Bremsspuren.
Die Marktentwicklung ist dort schlechter als erwartet – insbesondere in Lateinamerika, wie Anderson einräumen musste. "Wetterkapriolen und Krankheitsbefall haben in Argentinien und Brasilien dazu geführt, dass die Anbauflächen für Mais zurückgegangen sind. Schwache Marktpreisentwicklungen und der Preisdruck durch Generika bei Pflanzenschutzmitteln haben zusätzlich dazu geführt, dass wir die Ziele für 2024 reduzieren müssen." Bayer befinde sich mitten in einem großen Abschwung in der Landwirtschaft. Auch die Wettbewerber Corteva und BASF meldeten im dritten Quartal schwächere Agrargeschäfte aufgrund gesunkener Preise.
5500 STELLEN WENIGER SEIT JAHRESBEGINN
Finanzchef Nickl, der seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis Mai 2026 verlängerte, will mit "beschleunigten Kosten- und Effizienzmaßnahmen" gegensteuern. "Wir versuchen natürlich, die Kosteneinsparungen so weit wie möglich zu beschleunigen. Und wir haben dabei sehr große Fortschritte gemacht." Im Rahmen des neuen Organisationsmodells - das Anderson bei Bayer zum Abbau von Hierarchien, Bürokratie und zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen eingeführt hat - sind seit Jahresbeginn 5500 Stellen bei Bayer weggefallen und damit noch einmal 2300 mehr als im Vergleich zum Halbjahr.
In der Agrarsparte CropScience fielen im dritten Quartal vor allem wegen der schlechteren Geschäftsaussichten Wertminderungen von 3,77 Milliarden Euro an. Bayer schrieb deshalb erneut einen Verlust von 4,18 Milliarden Euro nach einem Minus von 4,57 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Im kommenden Jahr dürften zusätzliche regulatorische Herausforderungen und der Preisdruck durch Nachahmerprodukte das Pflanzenschutzgeschäft belasten. Gleichzeitig steht Anderson unter Druck, die Rechtsstreitigkeiten um den Unkrautvernichter Glyphosat und die Chemikalie PCB in den USA endlich in den Griff zu bekommen.
BAYER HOFFT BEI GLYPHOSAT-KLAGEN ERNEUT AUF SUPREME COURT
Die Zahl der angemeldeten Klagen wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat stieg zuletzt um rund 5000 auf insgesamt etwa 177.000, noch stehen für 63.000 Ansprüche Einigungen aus. "Wir müssen die Unsicherheit durch die Rechtsstreitigkeiten eindämmen, und daran arbeiten wir rund um die Uhr", sagte Anderson. Bayer prüfe dafür alle möglichen Wege. So strebt der Konzern erneut eine Prüfung durch das Oberste Gericht der USA an, nachdem er dort 2022 abblitzte. Bei einer Annahme eines Falls durch den Supreme Court hofft Bayer auf eine Entscheidung in der Sitzungsperiode 2025-2026.
Für 2024 erwartet Bayer nun einen bereinigten operativen Gewinn (Ebitda) von 10,0 bis 10,3 Milliarden Euro statt von 10,2 bis 10,8 Milliarden. Im vergangenen Jahr war das Ergebnis schon um gut 13 Prozent auf 11,7 Milliarden gefallen. Der Umsatz soll sich in diesem Jahr nun auf 45,5 bis 47,5 (bisher: 46 bis 48) Milliarden Euro belaufen. Währungsbereinigt geht der Vorstand allerdings weiter von einem Minus von einem Prozent bis hin zu einem Wachstum von drei Prozent aus. Im Sommerquartal schnitt der Aspirin-Hersteller schlechter ab als von Analysten erwartet. Das bereinigte Ergebnis fiel um fast 26 Prozent auf 1,25 Milliarden Euro. Analysten hatten im Schnitt gut 1,31 Milliarden erwartet. Der Umsatz sank um 3,6 Prozent auf 9,968 Milliarden Euro; währungsbereinigt stand ein Plus von 0,6 Prozent zu Buche.
Zuversichtlich zeigte sich Bayer für das Pharmageschäft, dort will das Unternehmen dank starker Zuwächse bei seinem Krebsmittel Nubeqa und dem Nierenmittel Kerendia das obere Ende seiner Prognose erreichen. Im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten erwartet der Konzern nun ein geringeres Wachstum, da sich Märkte wie die USA und China langsamer entwickeln als gedacht.
(Bericht von Patricia Weiß, Mitarbeit von Ludwig Burger und Hakan Ersen, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)