Brexit: Theresa May im Amt bestätigt – Ist das nun gut oder schlecht? – Nächste Abstimmung am 29. Januar
Die Botschaft der gestrigen Abstimmung im britischen Unterhaus lautet wohl: Keiner, außer der britischen Premierministerin, will den Job wirklich machen. Ansonsten ist es nicht erklärbar, warum Theresa May noch im Amt und Würden ist. Zweimal musste sie sich einem Misstrauensvotum stellen und am Dienstag hat sie bei der Abstimmung über den Brexit-Deal eine historische Schlappe erlitten. Viele Politiker hätten solchen Abstimmungen freiwillig den Hut genommen. Theresa May nicht, sie ist immer noch britische Premierministerin und damit Verhandlungspartner Nummer eins mit der EU.
Was sind ihre nächsten Schritte?
Das Theresa May den aktuellen Brexit-Vertrag mit den EU nicht durch das britische Unterhaus bekommt, ist seit Dienstag auch dem größten Optimisten bekannt. Zurecht kommt aus der EU jetzt die Frage auf: Was wollen die Briten denn überhaupt. Die Labour-Partei hielt sich lange mit ihren Plänen bedeckt und man hatte den Eindruck, dass es nur darum ging die Regierung zu stürzen und Neuwahlen anzustreben. Seit Mittwoch dürfte dieser Plan, sofern er es denn war, auch Geschichte sein. Jetzt möchte Theresa May einen runden Tisch mit allen Parteien. Sie möchte ausleuchten, welcher Plan einen Weg durch das Unterhaus finden könnten. Schon am kommenden Montag möchte sie dann den Plan B präsentieren.
Labour-Partei meldet sich erstmals richtig zu Wort
In den Tagethemen sagte der Labour-Abgeordnete Ben Bredshaw, dass seine Partei einen sanfteren Brexit anstrebe. Die Opposition möchte in der Zollunion und im europäischen Binnenmarkt verbleiben. Ähnlich dem Abkommen, dass Norwegen mit der EU hat. Sollte sich das britische Unterhaus nicht auf ein Kompromiss einigen können, dann sollte die Frage des Brexits noch einmal an das britische Volk zurückgegeben werden, sprich noch einmal abgestimmt werden. Mittlerweile plädiert schon ein Drittel der Labour-Partei für eine neue Abstimmung zum Brexit. In einem Punkt sind sich alle Beteiligten immerhin einig: Großbritannien sollte nicht ohne Abkommen aus der EU ausscheiden. Ein kleiner Trost, zwischen dem Rest scheinen nämlich Welten zu liegen.
Nächster Anlauf am 29. Januar
Der weitere Fahrplan von Theresa May scheint zu stehen. Bis zum Ende der Woche möchte sie ausloten, welche Kompromisslösung möglich ist. Am kommenden Montag will die britische Premierministerin dann ihren Plan B präsentieren und am 29. Januar soll dann das Unterhaus noch einmal abstimmen. Der Abstimmung werde eine ganztägige Debatte vorausgehen, erklärte am Donnerstag Andrea Leadsom, die Fraktionschefin der Konservativen Partei. Der stramme Zeitplan verdeutlicht vor allen Dingen eines: Theresa May will am 29.03.2019 aus der EU raus. Neuwahlen, eine neue Abstimmung über den Brexit oder eine Verschiebung des Austritttermins scheinen für sie immer noch keine Option zu sein. Damit wird die Chance auf einen Kompromiss allerdings wieder etwas kleiner und ein ungeregelter Brexit wahrscheinlicher. Genaueres lässt sich allerdings erst ab Montag sagen. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich besser einschätzen, ob der Plan B von Theresa May Chancen hat, von der EU abgesegnet zu werden und ob er den Weg durch das britische Unterhaus schafft.
Eine Herkules-Aufgabe für May
In den vergangenen Tagen haben gefühlt alle wichtigen Adressen in der EU betont, dass es nicht viel Spielraum beim bereits ausgehandelten Vertrag mit der EU gibt. Daher ist die große Frage, welche Änderungen kann die britische Premierministerin überhaupt vornehmen die von beiden Seiten abgesegnet werden. Als großer Knackpunkt wurde immer der Backstopp an der Grenze Irlands angeführt. Hier hat sich die EU schon mit einer zeitlichen Befristung und Absichtserklärungen auf Großbritannien zubewegt. Gereicht hat es aber nicht. Daher steigt die Spannung, ob in diesem Punkt überhaupt eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien möglich ist.
Frankreich zieht schon an der Reißleine
Das EU-Mitglied stellt sich auf einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ein. Premierminister Édouard Philippe kündigte am Donnerstag an, einen millionenschweren Plan für einen Brexit ohne Abkommen in Gang zu setzen. Der Plan werde seit April 2018 vorbereitet. „Die Verantwortung der Regierung ist es, das Land vorzubereiten und die Interessen unserer Bürger zu wahren und zu verteidigen“, sagte Philippe.
5 Maßnahmen - gegen „harten Brexit“
Er bedauerte die Entscheidung des britischen Unterhauses, dem mit der EU ausgehandelten Abkommen nicht zuzustimmen. Das bedeute nun, dass ein ungeregelter Brexit immer wahrscheinlicher werde. Nun solle ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten, das fünf Maßnahmen enthalte. Demnach sollen rund 50 Millionen Euro etwa in französische Flughäfen und Häfen investiert werden. Neue Zollbeamte sollen zudem eingestellt werden.
EU schickt Berater auf Euro-Tour
Zur Vorbereitung auf ein mögliches Brexit-Chaos Ende März schickt die EU-Kommission Berater auf eine Tour in alle EU-Hauptstädte. Das Risiko eines Brexits ohne Vertrag sei diese Woche gewachsen, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel. „Wir verbinden auch unsere eigenen Vorbereitungen mit denen, die die Mitgliedstaaten treffen, diese Arbeit läuft“, sagte der Sprecher. „Wir lassen es nicht darauf ankommen.“
Märkte bleiben noch gelassen
Obwohl der Blutdruck der Politiker zu steigen scheint, bleiben die Aktienmärkte noch gelassen. Bislang gehen die Marktteilnehmer noch davon aus, dass keiner einen „harten“ Brexit will und sich beide Seiten noch kurz vor Toresschluss zusammenraufen. Aktuell liegt der Ball auf der Insel. Man darf gespannt sein welche Flanke Theresa May am Montag in die EU schlägt.
Von Markus Weingran
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