Italien – Von wegen Erleichterung, das Chaos ist Perfekt!

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Zu Handelsbeginn war die Welt noch in Ordnung. Am späten Sonntagabend platzte die Regierungsbildung in Italien. Der Versuch der europakritischen Parteien Fünf-Sterne-Bewegung und Lega eine Regierung zu bilden, wurde durch Staatspräsident Sergio Mattarella zunächst verhindert. Tatsächlich war das Thema Euro und Wirtschaftspolitik der entscheidende Grund für das Handeln des Staatspräsidenten. Er weigerte sich, den Euro-Kritiker Paolo Savona zum Finanzminister zu ernennen.

Kurz vor der Ziellinie scheint die geplante Koalition zu scheitern. Die europäischen Börsen atmeten auf. Der italienische Leitindex startete mit einem Plus von 1,2 Prozent in den Handelstag und der DAX schwang sich wieder über die Marke von 13.000 Punkten. Mit der Herrlichkeit an den Märkten war es auch aber schnell wieder vorbei. Wer nämlich etwas weiter dachte als heute früh, der stellte schnell fest: Es kann alles noch schlimmer kommen bei unseren Freunden in Italien.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli soll nach dem Scheitern von rechtsextremer Lega und populistischer 5-Sterne-Bewegung eine Übergangsregierung in Italien bilden. Er habe den Auftrag von Präsident Sergio Mattarella angenommen, erklärte der frühere IWF-Vertreter am Montag nach einem Gespräch mit dem Präsidenten.

Der Wirtschaftsexperte will Italien zu einer Neuwahl führen. Wenn er im Parlament das Vertrauen bekomme, werde er den Haushalt durchbringen, dann könnte Anfang 2019 gewählt werden, sagte Cottarelli am Montag in Rom, nachdem Präsident Sergio Mattarella ihm das Mandat erteilt hatte, eine Übergangsregierung zusammenzustellen. Bekomme er keine Zustimmung im Parlament, würde eine “sofortige“ Neuwahl angepeilt – das könnte “nach August“ passieren.

Die populistischen Parteien Lega und Fünf Sterne haben im Parlament eine Mehrheit und haben schon ihr Veto gegen eine von Cottarelli geführte Technokratenregierung angekündigt. Damit sind Neuwahlen im August eher wahrscheinlich.

Die Ökonomen haben kein gutes Gefühl bei Neuwahlen

“Aus heutiger Sicht ist der Amtsantritt einer italienischen Regierung, die auf Konfrontationskurs zur EU geht und deren Regeln missachtet, nur aufgeschoben“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Ralph Solveen. Schließlich darf die rechtspopulistische Lega laut Umfragen bei Neuwahlen auf kräftige Stimmengewinne hoffen. Solveen erwartet dann auch von einem möglichen Mitte-Rechts-Bündnis einen Konfrontationskurs zur EU, da die Lega die stärkste Partei stellen würde. Auch eine Neuauflage einer Regierung von Sternen und Lega sei denkbar.

Selbst wenn Cottarelli bis Anfang 2019 durchhalten sollte, sind die Aussichten nicht gerade rosig. “Der Wirtschaftsexperte hätte schließlich wenig Handlungsspielraum. Die feindliche Mehrheit im Parlament würde Reformen verhindern, wie sie der Technokrat Mario Monti in den Jahren 2011 bis 2013 umsetzte“, schreibt Holger Schmieding Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Er nimmt die Situation mit etwas Humor: “Eine Regierung, die wenig macht, ist besser als eine Regierung, die viel Unsinn macht“, so Schmieding. Die europäischen Partner sollten sich laut Schmieding bemühen, bis zu den Neuwahlen, für ein besseres Bild in der EU zu sorgen.

Italien wäre aber nicht Italien, wenn nicht auch noch etwas Überraschendes passieren könnte. Vielleicht präsentieren die Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ja noch einen neuen Finanzminister. Oder die Technokraten-Regierung hält viel länger durch als geplant.

Egal wie das römische Theater aktuell ausgeht, die Unsicherheit in Italien bliebt. Und Unsicherheit mögen Börsianer ja bekanntlich überhaupt nicht. Die flohen vor allen Dingen aus italienischen Staatspapieren. Der für den deutschen Markt richtungsweisende Euro-Bund-Future stieg bis zum Mittag um 0,15 Prozent auf 161,41 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe fiel auf 0,389 Prozent. Die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen stieg dagegen am Mittag in der Spitze bis auf 2,676 Prozent.

Von Markus Weingran

Foto: WDG Photo / Shutterstock.com

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