Wirecard-Aktie: Bafin-Leerverkaufsverbot zeigt Wirkung – Ermittlungsverfahren gegen FT-Journalist eingeleitet
Nach dem nicht enden wollenden Kursfiasko, ausgelöst durch mehrere kritische Berichte der „Financial Times“ und deren Folgen, hat Wirecard jetzt Schützenhilfe durch die Bafin erhalten. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde hat ein für zwei Monate bestehendes Verbot auf weitere Leerverkäufe auf die Wirecard-Aktie gesetzt. Ab sofort sei es verboten, neue Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG zu begründen oder bestehende Netto-Leerverkaufspositionen zu erhöhen, teilte die Behörde am Montag in Bonn mit. Die Anordnung zeigt deutliche Wirkung. Die Anleger fassen wieder Vertrauen und greifen fleißig zu.
Novum der Börsenaufsicht!
Es ist das erste Mal, dass die Bafin Leerverkäufe für einen Einzelwert verbietet und stellt einen harten Einschnitt für den deutschen Aktienmarkt dar. Die Behörde begründet ihren Schritt mit dem potenziell entstehenden Risiko, dass die Verunsicherung des Marktes hinsichtlich einer angemessenen Preisbildung bei Wirecard-Aktien zunimmt und sich zu einer generellen Marktverunsicherung ausweitet.
„Financial Times“-Berichte haben für enormes Kursbeben gesorgt
Der Schritt der Bafin sei äußert positiv für die arg gebeutelten Aktien, sagte ein Händler. Die Berichte der „Financial Times“, in denen es über mögliche Bilanzierungsverstöße ging, hatten die Aktien zuletzt stark belastet. Wirecard dementiert, dass Regelverstöße festgestellt wurden.
Die Vorwürfe der „FT“ hatten zu ungewöhnlich starken Kursschwankungen für einen Dax-Wert geführt; von rund 168 Euro vor der Veröffentlichung brach der Kurs im Tief um fast die Hälfte auf 86 Euro ein. Zuletzt pendelte er mit großen Ausschlägen um die Marke von 100 Euro herum.
Ermittlungen gegen FT-Journalist eröffnet
Gegen den FT-Journalisten ist derweil ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt eine konkrete Anzeige eines Anlegers. Zudem würde eine Aussage eines Händlers vorliegen, dass er vorab informiert worden sei, wann die „Financial Times“ über Wirecard berichten würde.
Aktie kann nach Bafin-Ankündigung stark klettern
Die jüngste Entscheidung der Bafin hat die Aktie am Montag wieder auf Erholungskurs geführt. Das Wertpapier konnte seit Handelsbeginn knapp 12 Prozent an Boden gut machen und hat sich mit einem derzeitigen Wert von 111,40 Euro wieder weit oberhalb der 100-Euro-Marke positioniert.
Laut Daten des Börseninformationsdienstes IHS Markit waren Stand letzten Donnerstag 14 Prozent des Free Floats von 15,9 Millionen auf dem Markt gehandelten Wirecard-Aktien verliehen, und damit zum großen Teil Gegenstand von Leerverkäufen. Das starke Kursplus lässt sich aus dem dadurch entstehenden Short Squeeze erklären, bei dem Leerverkäufer ihre Short-Positionen zwangsläufig durch Aktien-Käufe schließen müssen.
Nicht der erste Vorfall dieser Art
Bereits 2008 und 2016 war Wirecard nach Einschätzung der Bafin zum Ziel sogenannter Short-Attacken geworden, bei denen Leerverkäufer im Zuge negativer Nachrichten durch das Eingehen von Leerverkaufspositionen profitiert haben. Diese hätten auch zu Kursrückgängen geführt. Im aktuellen Fall schaltete sich auch die Münchner Staatsanwaltschaft ein. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen unbekannt.
Analysten bleiben optimistisch. Die internen Prüfsysteme von Wirecard dürften funktionieren, schrieb etwa Robin Brass von der Privatbank Hauck und Aufhäuser. Zudem sei die in den FT-Artikeln genannte Umsatzgröße im Vergleich zum Konzernumsatz verschwindend gering. Daher sieht der Brass Kursverluste als Kaufgelegenheit.
Beeindruckender Aufstieg seit 2010
Damit steht Brass nicht alleine da. Alle acht Analysten, die sich seit den Vorwürfen Ende Januar geäußert haben, stuften die Aktien mit „Kaufen“ ein, wie aus Daten des dpa-AFX-Analyser hervorgeht. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 200 Euro und damit 1 Euro über dem Rekordhoch der Aktien vom September 2018.
Vorausgegangen war ein jahrelanger steiler Kursanstieg im Sog starken Wachstums und zahlreicher Übernahmen vor allem in Asien. Allein seit Anfang 2010 hatten die Aktien in der Spitze um rund 2000 Prozent zugelegt.
Im September 2018 reichte es dann sogar für den Aufstieg in die erste deutsche Börsenliga. Die Commerzbank musste ihren Platz im Dax für Wirecard räumen. Zwischenzeitlich war Wirecard im Börsenwert nicht nur an der Commerzbank, sondern auch an der Deutschen Bank vorbeigezogen. Die ist mit rund 16 Milliarden Euro mittlerweile aber wieder mehr wert als Wirecard mit rund 12 Milliarden Euro. Die Commerzbank bringt es auf knapp 8,4 Milliarden Euro.
(Onvista/dpa-AFX)
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