ROUNDUP: Immer weniger Kliniken in Deutschland - Kommt große Reform?

dpa-AFX · Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Eine weitere Verminderung der Zahl der Krankenhäuser rückt immer näher. Patientinnen und Patienten sowie die Beschäftigten in den Kliniken müssen sich nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf weniger Häuser und neue Strukturen einstellen. "Wir haben einfach nicht den medizinischen Bedarf für 1.700 Krankenhausstandorte", sagte Lauterbach auf einer Veranstaltung zu seiner geplanten, umfassenden Krankenhausreform in Berlin. Im Jahr 2000 gab es noch mehr als 2.200 Krankenhäuser in Deutschland.

Der SPD-Politiker stellte fest: "Wir liegen mit der Krankenhausreform insgesamt gut in der Zeit." Heute behandelten die Kliniken die Patientinnen und Patienten "deutlich zu viel stationär", so Lauterbach, der auch Mediziner ist. Vieles könnte ambulant gemacht werden. "Wenn wir 20 Prozent weniger Fälle stationär machen würden (...) - das wäre ein Schritt nach vorne."

Lauterbach geht auf Länder zu

Nach monatelangem Hickhack zwischen den für die Krankenhausplanung zuständigen Bundesländern und seinem Ministerium über die Reform kündigte Lauterbach Entgegenkommen an. "Es wäre ein Privileg für die Reform, wenn die Reform zwischen Bund, Parlament und Ländern so abgestimmt werden könnte, dass wir ein Vermittlungsverfahren vermeiden könnten." Gemeint ist ein Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat, falls die Länderkammer das Gesetz stoppt.

Nun sagte Lauterbach nach einer mit 16 zu 0 Stimmen gefassten Länder-Äußerung mit etlichen Wünschen für Änderung an seiner Reform: "Das sind wichtige Länderpunkte, die werden wir also aufgreifen."

Trotz Konzentration im deutschen Klinikbereich müsse sichergestellt werden, "dass der ländliche Raum versorgt wird", betonte Lauterbach. Er verwies auf bereits bestehende Sicherstellungszuschläge und sagte: "Diese Sicherstellungszuschläge, die werden wir noch einmal erhöhen." Und wenn der ländliche Raum damit nicht hinkomme, würden die Zuschläge noch einmal angepackt.

Jahrhundertealte Kliniken vor dem Aus?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zeigte sich konstruktiv - aber auch kritisch. Ohne deutlich mehr Geld gehe der "kalte Strukturwandel" weiter, mahnte DKG-Chef Gerald Gaß. "Es werden Strukturen verschwinden (...), die über Jahrhunderte entwickelt wurden, die auch ein Stück weit Identifikation in der Region bedeutet haben." Städte und Landkreise meldeten der DKG, dass sie Milliardendefizite über die kommunalen Haushalte ausgleichen müssten, sagte Gaß.

Lauterbach rechnete vor, in den drei Jahren bis 2025 würden die Gesamtausgaben des Bundes für die Kliniken um mehr als 30 Milliarden Euro steigen.

Krankenhäuser fordern Bürokratie-Stopp

DKG-Chef Gaß vermisst nach eigenen Worten ein angekündigtes Gesetz gegen Bürokratie im Krankenhaus, "wo Bürokratie und Regulierung ein Maß angenommen haben, das unsere Arbeit lähmt, das einen großen Anteil unserer Beschäftigten auch bindet". Lauterbach kündigte das Gesetz erneut an, diesmal für diesen Herbst.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine grundlegende Überarbeitung der Reformpläne. Er akzeptiere nicht, dass es in einigen Gegenden nur noch eine Notfallversorgung geben könnte. "Dann kommt Deutschland ins Wanken", sagte der CSU-Vorsitzende bei der Jahrestagung des Deutschen Landkreistages im bayerischen Kloster Seeon. Landkreistag-Präsident Reinhard Sager übte harsche Kritik an den Plänen für die Krankenhausreform. Die medizinischen Versorgungsstrukturen in der Fläche dürften nicht reduziert werden.

Weniger unnötige OPs

Lauterbach wirbt seit Monaten für seine Reformpläne, die mehr Spezialisierung und weniger Bürokratie bringen sollen. Im Juni war der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht worden. Laut Lauterbach würden bis 2030 rund 25 Prozent der Kliniken ohne Reform in die Insolvenz gehen.

Ein neues Bezahlsystem soll den finanziellen Druck für die Kliniken mindern und verhindern, dass sie etwa medizinisch unnötige Operationen aus Umsatzgründen machen. Einheitliche Qualitätsregeln sollen den Patienten und Patientinnen zudem helfen, eine für die jeweilige Krankheit besten Kliniken auszusuchen./bw/DP/stk

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