Dutzende Tote bei Hochhausbrand in Hongkong - Baufirma im Visier
Hongkong (Reuters) - Nach dem verheerenden Hochhausbrand in Hongkong ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 55 gestiegen.
Fast 300 weitere werden vermisst. Die Polizei hat drei Mitarbeiter einer Baufirma festgenommen und vermutet grobe Fahrlässigkeit und unsichere Baumaterialien als Ursache für die Katastrophe. Das Feuer war am Mittwochnachmittag im Wohnkomplex Wang Fuk Court im Stadtteil Tai Po ausgebrochen und wütete auch am Donnerstag noch. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich wegen der entstehenden Hitze und des dichten Rauchs als schwierig. Unter den Toten ist auch ein Feuerwehrmann.
Den Ermittlern zufolge könnten Verantwortliche der Baufirma grob fahrlässig gehandelt haben. Dies habe zu dem Unfall geführt und eine unkontrollierte Ausbreitung des Feuers verursacht, sagte Polizeisprecherin Eileen Chung. Bei den Festgenommenen handele es sich um zwei Direktoren und einen beratenden Ingenieur. Ihnen werde fahrlässige Tötung vorgeworfen, erklärte die Sprecherin.
Die Gebäude waren für Renovierungsarbeiten mit Schutznetzen und Bambusgerüsten verkleidet. Die Ermittler prüfen, ob diese Materialien nicht den Brandschutzstandards entsprachen. Zudem sei an einem unversehrten Gebäude festgestellt worden, dass Fenster mit einem Schaumstoffmaterial versiegelt waren. Auch die Hongkonger Antikorruptionsbehörde hat eine Untersuchung eingeleitet.
In dem dicht besiedelten Komplex mit acht Wohnblöcken leben mehr als 4600 Menschen. Hunderte Anwohner wurden in Notunterkünften untergebracht. Vor Ort spielten sich dramatische Szenen ab. Eine Frau suchte verzweifelt nach ihrer Tochter und deren Vater: "Sie sind immer noch nicht herausgekommen."
Der Brand weckt Erinnerungen an die Grenfell-Tower-Katastrophe, bei der 2017 in London 72 Menschen starben. Auch damals wurde der Einsatz brennbarer Fassadenverkleidungen als Hauptursache ermittelt.
Chinas Präsident Xi Jinping forderte die Behörden auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Feuer zu löschen und die Zahl der Opfer zu minimieren. Die Brandkatastrophe ist die folgenschwerste in Hongkong seit 1948. Sie trifft die Stadt vor den für Anfang Dezember angesetzten Wahlen und dürfte die Unzufriedenheit über die seit langem grassierende Wohnungsnot anheizen. Der betroffene Komplex ist Teil eines staatlich subventionierten Wohnungsbauprogramms.
(Reuters-Büro Hongkong, geschrieben von Anneli Palmen, redigiert von Thomas Seythal)




