Merz kündigt grundsätzliche Rentenreform bis Ende 2026 an
- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung will bis Ende 2026 eine grundsätzliche Reform des Rentensystems beschließen.
Dies kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz am Freitag nach den Beratungen des Koalitionsausschusses an. Die Spitzen der schwarz-roten Koalition einigten sich auf einen Text, in dem ausdrücklich das Bekenntnis festgehalten wird, dass bei der Rentenreform II auch bisherige Tabuthemen wie eine längere Lebensarbeitszeit, eine andere Berechnung der Rentensteigerungen und die Aufnahme neuer Beitragszahlergruppen in die Rentenversicherung diskutiert werden sollen. Sie hoffen, damit die Zustimmung der Kritiker aus der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion zum Gesetzentwurf zur Haltelinie des Renten-Niveaus von 48 Prozent bis 2031 zu erhalten. Merz betonte ausdrücklich, er habe volles Vertrauen, dass mit der SPD umfassende Änderungen möglich seien.
Die sogenannte Junge Gruppe mit 18 Abgeordneten hatte auch nach einem Gespräch mit Merz am Freitagmorgen und einer Debatte in der Unionsfraktion über die Beschlüsse des Koalitionsausschusses ihren Widerstand noch nicht aufgegeben. CDU-Chef Merz und CSU-Chef Markus Söder rechnen dennoch kommende Woche mit einer Zustimmung zum Rentenpaket I der Koalition. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll ihre Haltung am Dienstag abstimmen, dass der Gesetzentwurf im Bundestag beschlossen werden soll. Zum Rentenpaket I gehören auch die sogenannte Aktivrente, die Frühstartrente und die von der CSU gewünschte erneute Anhebung der Mütterrente. "Ich rechne mit Zustimmung", betonte Merz. Söder äußerte sich ebenso zuversichtlich.
Spahn sagte in der Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben, aus jeder Debatte müsse eine Entscheidung folgen. Die Zustimmung zum Rentenpaket I sei nicht nur eine Sachfrage, es gehe um die Regierungsfähigkeit der Union und der Koalition, mahnte er die jungen Renten-Rebellen. Dafür habe es langen Applaus in der Fraktion gegeben.
KOALITIONSSPITZEN LOCKEN MIT ZUSAGEN
Die Koalitionsspitzen hatten in der Nacht zu Freitag sechs Stunden unter anderem über die Rente verhandelt. Danach betonten Merz, Söder sowie SPD-Co-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil, dass man zu sehr weitreichenden Schritten bereit sei. Auch Arbeitsministerin und SPD-Co-Chefin Bärbel Bas sagte im Bundestag, man wolle "umfangreiche und auch mutige Schritte" gehen. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf bezeichnete die Zustimmung zum Rentenpaket I noch in diesem Jahr als "extrem sicher".
In dem Begleittext wird unter anderem festgehalten, dass die Rentenkommission bis Ende des zweiten Quartals Empfehlungen für eine Reform vorlegen soll. In der Rentenkommission könnten auch Vertreter der Jungen Gruppe mitarbeiten, sagte Merz. Das Papier nennt ausdrücklich, dass man bei der Rentenreform 2026 auch über die "Einbeziehung weiterer Einkunftsarten in die Beitragsbemessung" sowie die "Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung" reden müsse. Zudem soll in einem Rentenpaket II die betriebliche und private Altersvorsorge ausgebaut werden.
"Die Koalition wird darüber hinaus unter anderem mit den Dividenden eines Aktienpakets aus Beteiligungen des Bundes im Wert von zehn Milliarden Euro den Aufbau der privaten Altersversorgung der jungen Generation unterstützen", heißt es. Klingbeil erläuterte, dass man etwa mit einer Summe von 400 Millionen Euro jährlich rechne, die dadurch zur Stärkung privater Vorsorge zur Verfügung stünden. Das konkrete Konzept soll beim nächsten Koalitionsausschuss am 10. Dezember beschlossen werden.
Bei der Rentenentwicklung soll nach 2032 auch die Weiterentwicklung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors, die Einführung eines "Nachholfaktors zum Abbau des Ausgleichsbedarfs infolge der Haltelinie" sowie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit diskutiert werden. Dies geht gezielt auf die Kritik der Jungen Gruppe ein, dass der Gesetzentwurf zur Haltelinie zusätzliche Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursache. Merz hatte dies mit Hinweis auf die anstehenden Reformen zurückgewiesen.
Ob die Junge Gruppe in der Unionsfraktion ihren Widerstand aufgibt, blieb am zunächst unklar. Die Gruppe hatte auf Änderungen am Gesetzentwurf selbst gepocht, was Merz und Klingbeil nun ablehnten. Zudem will sie nicht nur Absichtserklärungen, sondern konkrete Zusagen für grundlegende Rentenreformen. Sie argumentiert, dass sie die Interessen der jungen Generation vertritt. Laut einer Forsa-Umfrage unterstützen aber nur 21 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ihre Positionen in der Rentendebatte.
Kritik kam aus der Wirtschaft, von Ökonomen und der Linkspartei: "Das jetzt verabschiedete Rentenpaket wird künftig Steuererhöhungen erzwingen", sagte der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, zu Reuters. "Unternehmen und private Investoren werden darauf mit verstärkter Abwanderung aus Deutschland reagieren." Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, sagte, der vorgelegte Entwurf eines Begleittextes zum Rentenpaket reiche nicht aus. Er habe kein Vertrauen in die Reform. Die Reihenfolge sei falsch. "Erst muss die Rentenkommission tagen und danach kann man dann ein konkretes Rentenpaket verabschieden. Die Abstimmung zum vorliegenden Rentenpaket sollte verschoben werden", sagte er. Merz hatte eine Verschiebung abgelehnt.
(Mitarbeit: Holger Hansen, Rene Wagner; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)



