Unionsfraktion liefert Merz Kanzlermehrheit bei Rentenpaket
Nach wochenlangem Ringen in der Unionsfraktion hat die schwarz-rote Koalition das Rentenpaket beschlossen.
Der Gesetzentwurf über die sogenannte Haltelinie des Rentenniveaus bis 2031 und die Mütterrente erhielt am Freitag im Bundestag die nötige Mehrheit. Mit 198 Ja-Stimmen kamen auch aus der CDU/CSU-Fraktion genügend Stimmen, um eine sogenannte Kanzlermehrheit zu erreichen. "Es ist ein guter Tag für die Koalition. Sie debattiert, aber sie entscheidet auch", sagte Fraktionschef Jens Spahn. Damit ist ein großer Konflikt in der schwarz-roten Koalition abgewendet. Die SPD hatte vor der Abstimmung auf Vertragstreue gepocht.
Der Bundestag beschloss nicht nur die Gesetzentwürfe zum Rentenniveau und der Mütterrente, sondern auch zur Aktivrente, die freiwilliges längeres Arbeiten mit steuerlichen Anreizen fördern soll. Umstritten war aber nur das erste Gesetzespaket, weshalb es eine namentliche Abstimmung gab. Kanzler Friedrich Merz hatte am Donnerstagabend die Schwelle für eine erfolgreiche Abstimmung weiter hochgesetzt, weil er von seiner Fraktion nicht nur eine einfache Mehrheit, sondern auch die Kanzlermehrheit von mindestens 316 Stimmen gefordert hatte.
Weil sich die Linken enthielten, wären für eine einfache Mehrheit deutlich weniger Stimmen nötig gewesen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte in der Rentendebatte gemahnt, dass man sich nicht darauf verlassen dürfe, ein Rentenpaket nur dank der oppositionellen Linken zu beschließen. Deshalb galt die Abstimmung als Test für die Autorität von Spahn und Merz.
Insgesamt gab es neben den 318 Ja-Stimmen 224 Nein-Voten. 53 Abgeordnete enthielten sich. Zunächst hatte das Bundestagspräsidium 319 Ja-Stimmen verkündet.
JUNGE UNIONSPOLITIKER STIMMEN ÜBERWIEGEND ZU
Der Rentenstreit hatte sich zu einer Koalitionskrise ausgewachsen, weil in der Unionsfraktion die sogenannte Junge Gruppe mit 18 Mitgliedern seit Wochen mit Ablehnung gedroht hatte. Sie kritisieren, dass in dem Gesetzentwurf zur Haltelinie auch Festlegungen für die Zeit nach 2031 enthalten sind. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten dies zurückgewiesen und auf die grundlegende Rentenreform verwiesen, die 2026 folgen soll.
Bei einem Meinungsbild am Dienstag in der Unionsfraktion hatten noch zwischen 10 und 20 Abgeordnete ihre Ablehnung deutlich gemacht. Danach gab es zahlreiche Gespräche der Partei- und Fraktionsspitze mit den Abweichlern. Die Ankündigung von Merz machte die Abstimmung zu einer informellen Vertrauensabstimmung.
In der Debatte vor der Abstimmung hatte der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, noch einmal begründet, warum er trotz der Appelle bei seiner Ablehnung blieb. Auch Junge-Union-Chef Johannes Winkel stimmte wie angekündigt mit Nein. Etliche Abgeordnete hatten persönliche Erklärungen abgegeben. Spahn betonte mit Blick auf die Abweichler, dass nach der Abstimmung "nichts zurückbleibe". Von der Unionsfraktion stimmten sieben Abgeordnete mit Nein, zwei enthielten sich, eine Stimme wurde nicht abgegeben. Nun gehe es darum, ein ehrgeiziges Rentenpaket II im kommenden Jahr vorzubereiten, betonten Spahn als auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann.
LOB DER SPD, KRITIK DER WIRTSCHAFT
Bundesarbeitsministerin und SPD-Co-Chefin Bärbel Bas wertete die Kanzlermehrheit als wichtiges Signal. Die Mehrheit von nur zwölf Stimmen sei immer eine Herausforderung, sagte sie nach der Abstimmung. "Aber wir sind froh, dass wir jetzt diese haben." Eine eigene Mehrheit sei wichtig für künftige Abstimmungen mit der Union. Und es sei gut, dass man nicht auf die Enthaltung der Linken angewiesen gewesen sei, sagte die Ministerin.
Die Grünen äußerten sich dagegen kritisch: "Friedrich Merz hat heute mit letzter Kraft verhindern können, dass seine Koalition aus der Kurve fliegt", erklärten die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge. Das wochenlange Gezerre um die Rente habe zu großer Verunsicherung der Bürger geführt.
Auch aus der Wirtschaft kamen kritische Reaktionen. Echte Reformen am System würden in die Zukunft verschoben, kritisierten mehrere Verbände. "So wie es jetzt ist, kann das Rentensystem nicht bleiben", sagte der Präsident des Großhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. "Es ist schlicht unfinanzierbar und ungerecht gegenüber allen nachfolgenden Generationen." Die Beschlüsse der Koalition seien ein ungedeckter Scheck. Ähnlich äußerte sich der Präsident des Handwerksverbandes ZDH, Jörg Dittrich.
(Mitarbeit: Holger Hansen, Christian Krämer und Markus Wacket; redigiert von Thomas Seythal)



