Inflation: Die derzeitige Lage und mögliche Szenarien – Droht eine Inflationsexplosion oder nicht?

onvista · Uhr

In der Corona-Krise werfen Staaten und Zentralbanken mit Geld geradezu um sich. Heizen Politiker und Währungshüter damit die Inflation an? An diesem Donnerstag (14.00 Uhr) veröffentlicht das Statistische Bundesamt seine erste Schätzung zur Entwicklung der Teuerungsrate in Deutschland im Mai 2020.

Was ist Inflation eigentlich?

Die Preise für Waren und Dienstleistungen können sich in einer Marktwirtschaft jederzeit ändern – einige steigen, andere fallen. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, wird es teurer. Erhöhen sich die Preise allgemein, spricht man von Inflation. Das Geld ist dann weniger wert, Verbraucher können für einen Euro weniger kaufen als zuvor. Jeden Monat berechnet das Statistische Bundesamt, wie sich Preise in Deutschland entwickelt haben. Zahlen für die 19 Staaten im Euroraum gibt es von der Behörde Eurostat.

Wie hat sich die Inflation zuletzt entwickelt?

Der massive Rückgang der Energiepreise in der Corona-Krise dämpfte die Teuerung in Deutschland. Im April lagen die Verbraucherpreise nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 0,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Das war der niedrigste Stand seit November 2016 mit damals 0,8 Prozent. Im März 2020 hatte die Rate noch bei 1,4 Prozent gelegen und im Februar bei 1,7 Prozent. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im April gerade einmal um 0,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Im März hatte die Inflationsrate im Währungsraum der 19 Länder noch 0,7 Prozent betragen.

Was ist schlecht an niedriger Inflation?

Stagnieren Preise oder fallen auf breiter Front, kann das Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Denn es könnte ja bald noch günstiger werden. Dieses Abwarten kann die Konjunktur abwürgen. Ist die Inflation andererseits zu hoch, verlieren Verbraucher an Kaufkraft und die Währung hat weniger Rückhalt. Darum strebt die Europäische Zentralbank (EZB) mittelfristig eine Rate von „unter, aber nahe zwei Prozent“ an.

Gegner von inflationärer Geldpolitik argumentieren damit, das solides Geld, also eine Währung, die nicht an Kaufkraft verliert, für nachhaltigeres Wirtschaften sorgt und keinen Spielraum für Investitionen in Unternehmen und wirtschaftliche Projekte lässt, die keinen wirklichen oder einen zu geringen Mehrwert für die Gesellschaft und die restliche Wirtschaft bringen. Auch die Zyklen an den Finanzmärkten, die von Bullenmärkten und Krisen in wechselnder Folge heimgesucht werden, sehen Kritiker in inflationären Geldsystemen beheimatet, da sie für Instabilität im Finanzsektor sorgen. Banken, die mit wenig Eigenkapital Kredite vergeben und dadurch einen Großteil der Geldmengen in der Schwebe halten, können in Kombination mit Faktoren wie beispielsweise der Immobilienblase 2008 zu Ereignissen wie der Lehman-Pleite und der bekannten damaligen Kettenreaktion führen.

Treibt die Geldflut die Teuerung nach oben?

Theoretisch ja. Auf rund 8 Billionen US-Dollar – also 8000 Milliarden – summieren sich nach Berechnungen von Volkswirten die bisher zugesagten Corona-Hilfen. Das viele Geld sei „eigentlich ein optimaler Nährboden für Inflation“, stellen die Experten von Quant Capital Management fest und sehen die „Inflation in Lauerstellung“. Auch Analystin Birgit Henseler von der DZ Bank schreibt: „Auf längere Sicht ist es (…) sehr wohl vorstellbar, dass die sehr expansive Geldpolitik gepaart mit der hohen Verschuldung der öffentlichen Haushalte den Anfang vom Ende der Ära der niedrigen Inflation markieren könnte.“

Explodiert die Inflation jetzt?

In den meisten Industrieländern werde „der durch das Virus verursachte wirtschaftliche Einbruch die Inflation in den kommenden ein bis zwei Jahren wohl eher dämpfen“, meint DZ-Bank-Analystin Henseler. Dass aktuell in Deutschland Millionen Menschen in Kurzarbeit sind oder als Selbstständige Umsatzeinbußen verkraften müssen, spricht nach Einschätzung von IW-Experte Markus Demary zudem gegen allgemeine Preissteigerungen. Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet, dass die Teuerung eher niedrig bleiben wird. Firmen hätten mit Krediten Umsatzausfälle ersetzt. „Wenn die Epidemie vorüber ist, werden die Unternehmen alles tun, um die notgedrungen aufgenommen Kredite wieder zurückzuzahlen. Die Geldmenge wird wieder schrumpfen – und damit auch das monetäre Inflationspotenzial“, erklärt Krämer. „Alles in allem wird Corona wenig daran ändern, dass die Inflation in den kommenden Jahren niedrig bleiben wird.“ Europas Währungshüter gehen davon aus, dass der Preisauftrieb im Euroraum in den nächsten zwei bis drei Jahren „sehr niedrig“ bleiben wird, wie EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta in einem Interview sagte.

Was können Notenbanken tun, sollte die Inflation doch stark steigen?

Die Zentralbanken könnten die Leitzinsen anheben. Im Euroraum ist reichlich Luft nach oben, denn die EZB hält den Leitzins seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent. Zinserhöhungen wirken sich eher hemmend auf das Wirtschaftswachstum und den Preisanstieg aus – denn Kredite werden in so einem Fall teurer.

Doch inwieweit die EZB dies bewerkstelligen kann ist fraglich, denn die lange Nullzinsphase, die nach der Finanzkrise zur Rettung des Finanzsystems in Kraft gesetzt wurde, hat zu einer riesigen Zahl an Zombieunternehmen geführt, die sich nur noch dank der billigen Kredite über Wasser halten können. Sollten die Leitzinsen je wieder angehoben werden, könnte aufgrund dessen eine enorme Pleitwelle drohen. Daher glauben viele Experten, dass man im jetzigen Geldsystem nie wieder höhere Leitzinsen sehen wird.

Wie wird die Inflationsrate eigentlich berechnet?

Normalerweise schwärmen Monat für Monat Mitarbeiter der Statistischen Landesämter und des Wiesbadener Bundesamtes aus und notieren in Geschäften bundesweit, was Obst und Gemüse, Bücher und Zeitschriften, Schuhe und Möbel kosten. Außerdem interessiert die Statistiker etwa: Wie hoch ist der Listenpreis für ein Auto, was kostet eine Pauschalreise und was der Sprit an der Tankstelle? Mehr als 300.000 Einzelpreise von Waren und Dienstleistungen werden repräsentativ nach einem stets gleichen Schema erfasst. Erhoben werden die Preise von rund 600 Güterarten. Auf Grundlage dieses sogenannten Warenkorbes wird die Entwicklung der Teuerung berechnet. In der Corona-Krise ist die Preiserhebung etwas schwieriger, weil einige Güter in Geschäften zeitweise nicht verfügbar waren. In solchen Fällen hat das Bundesamt Preise auf bisheriger Datenbasis fortgeschrieben.

onvista-Redaktion/dpa-AFX

Titelfoto: Noska Photo / Shutterstock.com

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