Stabilitätsrat erwartet ab 2024 wieder normale Finanzen in Deutschland

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Berlin (Reuters) - Der Stabilitätsrat zur Überprüfung der deutschen Staatsfinanzen rechnet erst 2024 wieder mit normalen Zeiten.

"Trotz der zwischenzeitlich doch aufgehellten Konjunkturerwartungen belasten die Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin massiv die öffentlichen Haushalte", sagte der nordrhein-westfälische Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) am Freitag in Berlin. Es sei wichtig, die Pandemie zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen nicht zu reduzieren. Deswegen werde auch für 2022 wieder eine außergewöhnliche Notsituation festgestellt, die dann eine höhere Verschuldung zulässt.

Laut Stabilitätsrat wird 2022 und 2023 die europäische Obergrenze für das strukturelle Staatsdefizit jeweils noch überschritten, nachdem es 2021 ein Minus von 3,5 Prozent geben dürfte. Die Obergrenze liegt für den Gesamtstaat bei maximal 0,5 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. 2024 dürfte sie wieder eingehalten werden, teilte der Stabilitätsrat mit. "Für 2025 wird ein Überschuss von einem halben Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet."

Der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte, es könne noch keine Normalität geben. "Es braucht weitere Stützungsmaßnahmen." Der FDP-Vorsitzende verwies auf die Hilfsfonds für die Wirtschaft und zusätzliche Ausgaben für das Gesundheitssystem. Laut Wirtschaftsministerium summieren sich die Hilfen für die Wirtschaft seit Ausbruch der Pandemie auf knapp 129 Milliarden Euro. Hinzu kommen Ausgaben im Zusammenhang mit dem Kurzarbeitergeld in Höhe von etwa 42 Milliarden Euro.

Kritik kam vom unabhängigen Beirat des Stabilitätsrates. Die Pläne der neuen Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP könnten noch nicht richtig abgeschätzt werden, weil vieles nicht spezifisch und kein Finanzbedarf dafür ermittelt worden sei. "Insgesamt ist aber von deutlich höheren gesamtstaatlichen Ausgaben auszugehen." Es sei daher zweifelhaft, ob 2024 die Vorgaben zum strukturellen Defizit wieder eingehalten werden könnten. Eigentlich gebe es auch 2022 keine außergewöhnliche Notsituation mehr.

Der Beirat warnte zudem vor einer Aushöhlung der deutschen Schuldenbremse, die ab 2023 wieder greifen soll. Skeptisch sind die Wissenschaftler vor allem wegen der möglichen Übertragung staatlicher Aufgaben auf öffentliche Unternehmen und wegen der Nutzung der Krise, um spätere Investitionen vorzufinanzieren. Die Ampel will am Montag einen Nachtragshaushalt im Volumen von 60 Milliarden Euro beschließen, um eine Rücklage im Klimafonds zu haben.

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