Deutsche Börse kauft Software-Spezialisten für 3,9 Mrd Euro

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München (Reuters) - Rekordzukauf für die Deutsche Börse: Der Frankfurter Börsenbetreiber übernimmt für 3,9 Milliarden Euro den dänischen Finanzsoftware-Spezialisten SimCorp und baut damit sein Geschäft mit Dienstleistungen für Vermögensverwalter aus.

Es sei der größte Zukauf in der Firmengeschichte, sagte Vorstandschef Theodor Weimer am Donnerstag. Die Deutsche Börse ergänzt mit SimCorp das Daten-Analytik-Geschäft der Tochter Qontigo, in der auch das Geschäft mit Börsenindizes gebündelt ist. "Dies wird es der Deutsche Börse ermöglichen, (...) ihre Geschäftszusammensetzung mit wachsenden wiederkehrenden Umsätzen weiter zu diversifizieren", erklärte sie den Schritt. Die Börse arbeitet seit längerem daran, weniger abhängig vom schwankungsanfälligen Wertpapierhandel und dem Auf und Ab an den Märkten zu werden.

Die Übernahme kommt zustande, wenn mehr als 50 Prozent der SimCorp-Aktionäre die Offerte über 735 dänische Kronen annehmen. Das Angebot liegt 39 Prozent über dem SimCorp-Schlusskurs vom Mittwoch. Finanziert werden soll der Zukauf überwiegend mit Fremdkapital. Die Börse nimmt dafür sogar ein schwächeres Rating in Kauf. Zunächst stellt die Investmentbank Morgan Stanley einen Überbrückungskredit bereit. Die Anleger reagierten skeptisch: Die Deutsche-Börse-Aktie gab um bis zu 7,5 Prozent nach und war damit Schlusslicht im Leitindex Dax. Ein Händler sagte, sei der Deal sei den Anlegern auf den ersten Blick vielleicht zu teuer. In Kopenhagen sprangen SimCorp bis auf 738 Kronen - übe das Angebot der Börse hinaus.

BÖRSENGANG VON QONTIGO AB 2025 MÖGLICH

SimCorp arbeitet seit 2021 mit der Deutsche-Börse-Tochter Qontigo zusammen. Künftig sollen der Daten- und Analytik-Spezialist, Simcorp sowie der Stimmrechtsberater ISS in einem neuen Segment namens "Investor Management Solutions" gebündelt werden. Die ISS, die vor allem institutionelle Anleger etwa bei Abstimmungen auf Hauptversammlungen berät, soll in Qontigo aufgehen. Von der Zusammenlegung erhofft sich die Deutsche Börse Synergien von 90 Millionen Euro im Jahr, von denen 55 Millionen Euro aus Einsparungen kommen sollen. Zunächst fielen aber Einmalkosten von 100 Millionen Euro an.

Der Finanzinvestor General Atlantic steckt noch einmal Geld in ISS und Qontigo; zur Summe äußerte sich die Deutsche Börse nicht. General Atlantic, hierzulande auch als Kapitalgeber von Flixbus bekannt, ist seit 2019 an Qontigo und deren Vorgängerfirmen beteiligt und hält einen Anteil von 20 Prozent an dem Unternehmen. Ein Börsengang solle der Beteiligungsfirma einen Ausstieg ermöglichen. Unter einem neuen Namen könnte das fusionierte Unternehmen an die Börse gebracht werden - Weimer zufolge frühestens 2025. "Wir haben nicht vor, das deutlich später durchzuziehen, abhängig von den Marktbedingungen", sagte der Börsen-Chef.

Operativ läuft es bei der Deutschen Börse derweil gut. Die Kursturbulenzen der vergangenen Monate bescherten dem Konzern ein überraschend starkes Quartalsergebnis und lassen es zuversichtlicher auf den Rest des Jahres blicken. Nettogewinn und operatives Ergebnis legten um jeweils zwölf Prozent zu. Das Unternehmen profitiere von höheren Zinsen und der steigenden Volatilität, schrieb Berenberg-Analyst Peter Richardson. Das Datengeschäft habe sich aber schwächer entwickelt als erwartet. "Wir bleiben besorgt, dass dem Segment im Vergleich zu größeren Datenanbietern (einschließlich der LSE) kritische Masse fehlt."

(Bericht von Christina Amann und Alexander Hübner; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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