Kolumne von Alexander Mayer 31.08.2024

Bitcoin: Kursschwäche nach Powell-Effekt – Wie geht es jetzt weiter?

decentralist.de · Uhr
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Das Bitcoin-Chartbild bleibt holprig. Nachdem Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank, vergangenen Freitag noch für eine deutliche Erholung an den Gesamtmärkten und eine Bitcoin-Rally gesorgt hatte, die den Kurs wieder über seinen 200-Tage-Trend und sein Bullmarket-Supportband gehoben hat, ist in dieser Woche wieder Kursschwäche angesagt und beide Indikatoren mussten wieder abgegeben werden.

Quelle: Tradingview

Damit bewegt sich der Bitcoin-Kurs weiterhin im unteren Segment seines Seitwärtskanals zwischen 57.000 und 71.500 Dollar, in dem er seit dem Ausbruch im Februar konsolidiert und kämpft seit dem Eintreten der Sommerphase damit, sein bullisches Momentum wiederzuerlangen. 

Quelle: Tradingview

In der Monatsansicht bleibt das Chartbild jedoch vielversprechend, da der Kurs sich trotz der volatilen Phase der letzten Monate oberhalb der Ausbruchszone von 57.000 Dollar halten kann und seit dem Ausbruch im Februar eine Bullenflagge zeichnet. Der Aufwärtstrend seit der Bildung des Bärenmarktbodens im November 2022 bleibt ebenfalls intakt.

Die Fundamentals bleiben positiv

Auch wenn die Finanzmärkte sich in den letzten Monaten als von Unsicherheiten geprägt präsentiert haben, folgt Bitcoin seinen zyklischen Mustern weiterhin beeindruckend genau. Das klassische saisonale Sommerloch fällt mit der üblichen mehrmonatigen Schwächephase nach einem erreichten Halving zusammen.

Für eine wieder anziehende Performance ab dem vierten Quartal und damit einer weiterhin zyklus-treuen Marktbewegung spricht die fundamentale Lage, die den Spielraum für ein entsprechendes Setup liefert. Der Haupttreiber für die Rally an den Märkten und ganz besonders für den Bitcoin-Kurs bleibt die Liquidität. Und diese befindet sich bereits wieder in ihrem nächsten geldpolitischen Aufwärts-Zyklus. Während Zentralbanken weltweit bereits wieder die Zinsen senken und unter anderem China in den Modus geldpolitischer Lockerung zurückgekehrt ist, fließt – getriggert durch die Fiskal-Politik der USA – auch über US-Quellen bereits wieder eine Menge zusätzliche Liquidität in die Märkte.

US-Notenbank-Chef Gerome Powell hat letzten Freitag der weiteren Entfaltung des geldpolitisch begründeten Liquiditätszyklus grünes Licht erteilt, indem er defacto den Start der nächsten Zinssenkungsphase der Federal Reserve ab der nächsten Zinssitzung im September bestätigt hat. In seiner Rede auf dem Jackson Hole Economic Symposium hat er entsprechende Äußerungen getätigt, dass die Zeit für Zinssenkungen nun gekommen sei, da die Inflation sich in die richtige Richtung entwickelt und die Fed sich nun vollständig darauf konzentrieren kann, den US-Arbeitsmarkt nicht zu sehr abkühlen zu lassen. Powell hat in seiner Rede betont, dass die Fed alles tun werde, um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Er machte klar, dass eine weitere Abkühlung des Arbeitsmarktes nicht gewünscht sei.

Steht dem Bullrun nun wirklich nichts mehr im Weg?

Die Notenbanker und viele Analysten zeichnen derzeit ein allzu optimistisches Bild. Die Inflation geht zurück, der Arbeitsmarkt kühlt ab, bleibt aber grundsätzlich stark und ein „Soft Landing“ scheint erreichbar zu sein. Als Investor sollte man sich von diesen Aussagen jedoch nicht blenden lassen und wie immer mehrere Szenarien als Option im Hinterkopf behalten.

Es ist durchaus möglich, dass die Fed den Spagat zwischen der Bekämpfung der Inflation und einem gleichzeitigen Erhalt der Stärke des US-Arbeitsmarktes vorerst hinbekommen hat – die Vergangenheit spricht aber eindeutig gegen die Erfolgsquote der Federal Reserve. Im Chart unten zu sehen ist, dass in den letzten Jahrzehnten ein deutlicherer Anstieg der Arbeitslosenquote immer mit einer Rezession (eingezeichnet in grau) einhergegangen ist.

Quelle: fred.stlouisfed.org

Es bleibt daher offen, ob die Wirtschaft sich nicht doch noch in eine Rezession verabschiedet. Geldpolitische Instrumente wie Zinsveränderungen wirken mit einer großen Verzögerung und sind ein sehr indirekt wirkendes Instrument. Wenn sich Wirtschaft und/oder Inflation erst einmal in eine Richtung bewegen, dann dauert es lange, bis ein erneuter Richtungswechsel stattfinden kann. Ein zweites Szenario neben dem Soft Landing ist also definitiv die Gefahr, dass eine Rezession die USA noch erschüttern wird und einen entsprechenden Tribut von den Finanzmärkten abverlangt.

Problematisch ist auch die verzerrte Datenlage, die es mittlerweile immer schwieriger macht, den echten Zustand der Märkte und der Wirtschaft wirklich einzuschätzen. Die zuletzt drastisch nach unten korrigierten Arbeitsmarktdaten des US Department of Labour and Economics zeigen das: Die Schaffung neuer Jobs zwischen März 2023 und März 2024 ist letzte Woche um über 800.000 Stellen nach unten korrigiert worden und liefert damit ein durchaus schwächeres Bild der Wirtschaft ab als zunächst angenommen.

Hinzukommt die Verzerrung der Wertbemessung von Aktien durch die laufende Geldmengenausweitung. Nominal gesehen steigen Aktien – doch in echter Kaufkraft gemessen findet deutlich weniger Wachstum statt. Man kann argumentieren, dass sich ein Teil der US-Wirtschaft bereits seit 2022 in einer Rezession befindet – vor allem die kleineren, mittelständischen Unternehmen – während die Aktienmärkte durch die hohe Konzentration von Kapital in wenigen großen Tech-Werten ein verzerrtes wirtschaftliches Bild präsentieren.

Im ersten und zweiten Quartal 2022 hatte in den USA bereits eine Kontraktion des Bruttoinlandsproduktes stattgefunden und damit der klassischen Definition einer Rezession entsprochen. Auch in diesem Fall hatten US-Behörden die Datenlage verzerrt, indem sie die Definitionen für eine Rezession geändert haben. In vielen Wirtschaftsbereichen ist die gefürchtete Rezession längst eingetreten. Die entscheidende Frage ist, ob diese sich ausweitet und von den Märkten entsprechend noch einen Tribut verlangen wird oder ob das Schlimmste bereits hinter uns liegt und eine wirtschaftliche Erholung – gestützt durch Zinssenkungen – den breiten Markt anstoßen kann. 

Unabhängig davon, welches Szenario am Ende der Wahrheit am nächsten kommen wird, ist eine Sache klar: Die Geldmengenausweitung wird durch die nun in die Wege geleitete geldpolitische Lockerung und die bereits lockere Fiskal-Politik der USA weitergehen. Krisen werden mit einer Verstärkung dessen beantwortet werden. Das liefert den Spielraum für weitere Inflation, aber auch für weiter steigende Vermögenswert-Kurse, allen voran Bitcoin, da die Geldmengenausweitung die Bewertung dieser Vermögenswerte weiter aufblähen wird.

Denken Sie langfristig!

Die US-Wahl und die Politik der Federal Reserve stehen derzeit im Fokus der Finanzmärkte. Ein wesentlich relevanteres Ereignis für die Märkte steht jedoch zum Jahreswechsel an und könnte den weiteren Verlauf dieses Bullruns maßgeblich beeinflussen. Mehr dazu erfahren Sie in der neuen Video-Ausgabe von decentralist.

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