EZB verbleibt in Wartestellung - Erneute Zinspause

- von Frank Siebelt, Reinhard Becker und Klaus Lauer -
Frankfurt, 11. Sep (Reuters) - Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer ersten Zinssitzung nach der Sommerpause wie im Juli die Füße stillgehalten, die Tür für eine Zinssenkung aber offen gelassen. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde legten am Donnerstag erneut eine Zinspause ein. Damit bleibt der Einlagesatz - das ist der Leitzins im Euro-Raum - bei 2,0 Prozent. Diesen Satz erhalten Finanzinstitute, wenn sie bei der Notenbank überschüssiges Geld parken. Über ihn steuert die EZB maßgeblich ihre Geldpolitik. Volkswirte hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. Ausblickend erklärte die Notenbank: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest."
Die EZB zeigte sich entschlossen, die Inflation auf mittlere Sicht beim Zielwert von 2,0 Prozent zu stabilisieren. Dieses Teuerungsniveau erachtet die Notenbank als optimal für die Wirtschaft im Währungsraum. Wie bisher soll der geldpolitische Kurs von der Datenlage abhängen, die von Sitzung zu Sitzung bewertet wird.
"Angesichts einer insgesamt robusten Binnennachfrage und stabiler Arbeitsmärkte scheint eine weitere Zinssenkung aktuell nicht nötig zu sein", kommentierte Lena Dräger vom Kieler Wirtschaftsforschungsinstitut IfW. Gleichzeitig bestehe weiter Unsicherheit über die Entwicklung der Inflation, da handelspolitische Spannungen oder eine stagnierende Wirtschaft in der Euro-Zone die Inflation erhöhen oder senken könnten. "Für die kommenden Monate zeichnet sich damit eine Zinspause ab", meinte die Expertin.
Aus Sicht von Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bankenverbandes BVR, bleibt offen, ob es zum Jahresende noch zu einem weiteren und wohl abschließenden Lockerungsschritt kommt. "Entscheidend wird sein, wie die EZB-Ratsmitglieder die Inflationsaussichten im weiteren Jahresverlauf bewerten - etwa im Hinblick auf sinkende Energiepreise, einen stärkeren Euro und das neue Zollabkommen, dessen Nettoeffekte auf die Inflation derzeit noch nicht klar einzuschätzen sind," sagte Bley.
INFLATION LEICHT ÜBER ZIELMARKE
Die Inflation in der Euro-Zone lag im August bei 2,1 Prozent und damit leicht über der von der EZB angestrebten Marke. Im Juni und Juli hatte die Teuerungsrate genau auf dem Zielwert gelegen. Die Inflation, die noch im Herbst 2022 bei über zehn Prozent lag, ist damit vorerst eingedämmt. Auch die Inflationserwartungen an den Finanzmärkten lagen zuletzt nahe der EZB-Zielmarke. Die von den Notenbank-Volkswirten vorgelegten neuen Inflationsprognosen entsprechen mit nur geringen Abweichungen den Projektionen vom Juni. Allerdings erhöhten die Ökonomen ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr deutlich und erwarten nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent. Noch im Juni hatten sie für 2025 ein Plus von 0,9 Prozent veranschlagt.
Sorgen bereitet der EZB, dass die Auswirkungen der von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle noch nicht absehbar sind. Die Konjunktur in der Euro-Zone hatte sich zwar bislang trotz der Handelskonflikte als überraschend widerstandsfähig gezeigt. Aber das muss nicht so bleiben. Auch die Effekte des großen Wachstumspakets der deutschen Regierung sind noch nicht klar. All das spricht für Abwarten. Am Finanzmarkt wird mit großer Mehrheit davon ausgegangen, dass die EZB in diesem Jahr an den Zinsen nicht mehr rütteln wird. Bis zum Juli 2026 wird die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinssenkung auf etwa 50 Prozent taxiert.
BANGER BLICK AUF FRANKREICH
Darüber hinaus treibt die politische Krise in Frankreich, der nach Deutschland zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone, die Währungshüter um. Die haushaltspolitischen Turbulenzen haben die Renditen französischer Staatsanleihen nach oben schießen lassen. Die Renditeaufschläge für zehnjährige französische Staatsanleihen haben gegenüber ihren deutschen Gegenstücken kräftig angezogen.
Die EZB verfügt zwar über Instrumente, um in Bedrängnis geratene Euro-Staaten mit Anleihenkäufen unter die Arme zu greifen. Dies setzt allerdings einen ungerechtfertigten und ungeordneten Anstieg der Renditen voraus - etwa infolge größerer Finanzmarktturbulenzen. Am Freitag steht eine mit Spannung erwartete Bonitätsüberprüfung des Landes durch die Ratingagentur Fitch an.
(Unter Mitarbeit von René Wagner, redigiert von Thomas Seythal)