Dow-Jones-Index erstmals über 30.000 Punkten

dpa-AFX · Uhr

Angetrieben von Staatshilfen

Von Lutz Alexander, dpa-AFX

New York (dpa) - An der Wall Street trotzen die «Bullen» immer wieder allen Widrigkeiten. Bereits seit 2009 stoßen sie mit ihren Hörnern die Kurse am US-Aktienmarkt ein ums andere Mal nach oben. Die Tatzen der «Bären» haben in all den Jahren kaum eine Chance gehabt, den Lauf des US-Leitindex Dow Jones Industrial aufzuhalten.

Selbst der Corona-Crash im Februar und März dieses Jahres war nach gut einem halben Jahr wieder Geschichte. Am Dienstag nun hat das wohl bekannteste Börsenbarometer der Welt erstmals die Marke von 30.000 Punkten geknackt. Im Handelsverlauf stieg der aus 30 Aktien großer US-Konzerne zusammengesetzte «Dow» sogar bis über 30 100 Punkte.

Damit krönte der Auswahlindex eine beeindruckende Aufholjagd: Nach dem Coronavirus-Ausbruch war der US-Leitindex in nur vier Wochen von über 29.000 Punkten um mehr als 10.000 Punkte oder fast 40 Prozent eingebrochen. Doch schon Anfang September waren diese Verluste wieder wettgemacht. Die jüngsten Börsengewinne, die den Dow Jones nun über die Marke von 30.000 Punkten hievten, waren vor allem zwei Faktoren geschuldet: Zum einen dem US-Wahlsieg des Demokraten Joe Biden. Von ihm erhoffen sich Investoren weitere Milliarden Dollar für die sieche Wirtschaft. Auch zeichnet sich jetzt das Ende der Hängepartie um die Führung der USA ab. Diese Entwicklung habe dem Markt «einen Schubs in die richtige Richtung gegeben», schrieb etwa Analyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda. Zum anderen trieb die Aussicht auf bald einsetzbare Impfstoffe gegen die Covid-19 den Index an.

Geht die Rally jetzt weiter oder gelingt den Pessimisten - im Börsenjargon «Bären» genannt - endlich einmal ein Stich gegen die Optimisten, also die «Bullen»? Schließlich könnte der heiß gelaufene Markt auf kurze Sicht schon bald erkalten.

Jedenfalls erfreuen sich die Anleger erst einmal an dem nahezu schwindelerregenden Anstieg des Dow: Für den Weg von 20.000 auf 30.000 Punkte brauchte er nur knapp vier Jahre. Und es hat keine acht Jahre gedauert, bis sich der Index verdoppelt hat: Im Mai 2013 stand zum ersten Mal die 15.000 auf der Kurstafel der New Yorker Börse an der Wall Street. In deren unmittelbarer Nähe symbolisiert die vom Künstler Arturo Di Modica gestaltete Bronzestatue «Charging Bull» den US-Kapitalismus schlechthin.

Der aktuelle Bullenmarkt in den USA begann 2009. Seinerzeit hatten Anleger begonnen, die Folgen der globalen Finanzkrise zu verdauen, die fast überall auf der Welt das Wirtschaftswachstum deutlich ausgebremst oder Rezessionen ausgelöst hatte. Kräftig angeschoben wurden die Aktienkurse weltweit von dem billigen Geld der Notenbanken, das die Zinsen unter Druck setzte und festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen damit in der Gunst der Anleger sinken ließ. In den USA befeuerten auch Steueranreize und Infrastruktur-Versprechen unter US-Präsident Trump die Kurse.

Anfang 2020 aber sah es dann erst einmal so aus, als ob der langjährige Bullenmarkt ein jähes Ende finden sollte. Wegen der Corona-Pandemie schickten viele Regierungen ihre Länder in den Lockdown. Der Dow sackte von Ende Februar bis Ende März um fast 10.800 Punkte ab. Auch weltweit brachen Börsen ein. Doch Regierungen und Notenbanken machten schnell klar, dass sie mit gewaltigen Konjunktur- und Hilfspaketen alles tun werden, um gegenzusteuern. So konnte sich der Dow in den vergangenen Monaten immer weiter nach oben arbeiten.

Aktuell richten sich die Hoffnungen der Anleger auf die Zulassung eines Impfstoffes gegen das Corona-Virus. Neben den Erfolgsmeldungen zum Impfstoff hatte der Ausgang der Präsidentschaftswahl am Markt für Erleichterung gesorgt. Anleger stellten rasch klar, dass die Märkte mit Biden gut leben könnten, erst recht, wenn der Senat womöglich weiter von Republikanern dominiert werde, was derzeit noch nicht klar ist. Dann nämlich ließen sich Bidens geplante Steuererhöhungen weniger leicht durchsetzen, doch dürften wiederum unter Biden die Handelskonflikte vor allem mit China etwas entschärft werden - zwei Aspekte, die dem Aktienmarkt geholfen haben. Für zusätzlichen Auftrieb sorgte nun, dass der Regierungs-Übergang beginnen kann, nachdem Trump die Behörden und seine Mitarbeiter angewiesen hat, mit Biden zu kooperieren. Einige Experten aber sehen beim US-Leitindex auf kurze Sicht nun erst einmal das Ende der Fahnenstange erreicht.

Der «Dow» blickt auf eine lange Historie zurück: Charles Henry Dow, der Gründer des «Wall Street Journal», und Edward Jones schufen ihn im Jahr 1896, um die Kurstendenz an der Wall Street besser messbar zu machen. Zunächst standen nur zwölf Unternehmen auf dem Kurszettel, und in der Frühzeit des Index wurden vor allem Aktien von Eisenbahnfirmen gehandelt.

Zu den Aktien der ersten Stunde gehörte General Electric. Wegen der anhaltenden Talfahrt der amerikanischen Industrie-Ikone aber flogen die Papiere 2018 aus dem Index - es war bereits der dritte Abstieg aus der ersten Börsenliga in der Unternehmensgeschichte. Änderungen wie diese beruhen nicht auf objektiven Gesichtspunkten, sondern werden lediglich bei Bedarf vorgenommen. Nur so ist zu erklären, dass die Papiere des Computerriesen Apple erst nach einer Herabsetzung ihres Nennwertes in den Index aufgenommen wurden.

Ende August dieses Jahres wirbelten der steile Aufstieg vieler Techwerte und die schwindende Bedeutung fossiler Energien den Dow erneut durcheinander. Das derzeit am längsten im Dow vertretene Unternehmen, der Ölriese ExxonMobil, musste seinen Platz räumen: Die Lücke schloss der Softwareexperte und SAP-Rivale Salesforce.

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