VW bekräftigt überraschend Gewinnziele - Aktie führt Dax an
Weltweite Handelskonflikte, Probleme bei der Umstellung auf schärfere Abgasmessregeln und nicht zuletzt der „Dieselgate“ – Herausforderungen gibt es für Volkswagen derzeit genug. Trotzdem geht dem Autobauer beim Umsteuern Richtung Elektromobilität die Kraft nicht aus.
Obwohl der weltgrößte Autobauer im dritten Quartal einen Gewinnrückgang um fast ein Fünftel verbuchen musste, verdienten die Wolfsburger immer noch mehr als erwartet. Anders als die Konkurrenz von Daimler und BMW oder die großen Zulieferer Continental und Schaeffler muss VW seine Jahresziele nicht nach unten korrigieren. Markt und Anleger reagierten erleichtert und ließen die VW-Aktie am Dienstag um in der Spitze über fünf Prozent steigen. Damit steuern sie auf den größten Tagesgewinn seit zweieinhalb Jahren zu.
„Volkswagen ist robuster als die meisten seiner Konkurrenten“, sagte Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Er geht davon aus, dass der Konzern in den nächsten Jahren wieder Gas gibt, sollte China die Steuern auf Autokäufe tatsächlich senken. Piepers Kollege Arndt Ellinghorst vom Londoner Investmentberater Evercore ISI ergänzte: „Die zeigen Stärke in schweren Zeiten.“ Dabei seien die Erfolge der laufenden Restrukturierung noch gar nicht richtig eingeflossen.
Diess gibt neue Impulse
Seit Mai 2018 wird Volkswagen von Herbert Diess geleitet, der den Konzern neu gegliedert und die Pkw-Marken in verschiedenen Gruppen gebündelt hat. Bis zum Jahresende soll das Lkw-Geschäft unter dem Namen „Traton“ auf den Börsengang vorbereitet werden. Durch diese Neuaufstellungen soll der Konzern flexibler werden.
Gleichzeitig erntet Volkswagen erst jetzt die Früchte seiner vor einigen Jahren eingeführten Baukastenstrategie. Diese hat das Unternehmen nach Meinung von Experten widerstandsfähiger gemacht und soll bei der Rendite helfen. Dadurch hat der Konzern ausreichend finanzielle Mittel, um den Wandel zu einem modernen Mobilitätsdienstleister zu bewältigen und zugleich die hohen Kosten der selbst verschuldeten Dieselaffäre zu schultern. „VW kann drohende Regressforderungen von zehn bis 20 Milliarden Euro relativ gut wegstecken, weil man in den nächsten Jahren sicherlich auch zweistellige Milliardenbeträge operativ verdienen wird“, ist Frank Schwope von der NordLB überzeugt.
Für Aufatmen sorgte heute auch die Entlassung von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler aus der Untersuchungshaft. Nach vier Monaten setzte das Oberlandesgericht München den im Dieselskandal erlassenen Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug.
WLTP beeinflusst Gewinn merkbar
Im dritten Quartal schrumpfte der Betriebsgewinn vor Sondereinflüssen wegen der Kosten bei der Einführung des europäischen Abgasmessverfahrens WLTP um 18,6 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Allerdings hatten die Analysten mit einem noch geringeren Betriebsgewinn gerechnet. Der Umsatz erhöhte sich leicht auf rund 55 Milliarden Euro und lag damit ebenfalls über den Erwartungen. Volkswagen war mit der Umstellung auf WLTP nicht hinterhergekommen und hatte deshalb im September einen schmerzhaften Verkaufsrückgang verbucht. Bis zum Jahresende sollen diese Komplikationen aber aufgearbeitet werden. Die Nettoliquidität schrumpfte zum Ende September um fast drei Prozent auf rund 25 Milliarden Euro. Die Kosten für Strafen, Vergleiche und Bußgelder sowie Rückstellungen für Anwaltskosten im Zusammenhang mit „Dieselgate“ belaufen sich mittlerweile auf über 28 Milliarden Euro.
Neue Erkentnisse und neue Projekte
Finanzvorstand Frank Witter bleibt aufgrund dieser Zahlen weiter auf der Hut. Erstmals ließ er erkennen, das VW etwa bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos Partnerschaften nicht mehr abgeneigt ist, um Geld zu sparen. „Es ist kein Geheimnis, dass das eine sehr teure Geschichte ist, das zu entwickeln und dass es schon den ein oder anderen gibt, der weit fortgeschritten ist“, sagte er während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Als Beispiel nannte Witter die Google-Tochter Waymo, die Roboterautos bereits auf Straßen in den USA testet. Entschieden sei aber noch nichts. Es sei auch denkbar, dass Volkswagen den selbstentwickelten Baukasten für Elektroautos (MEB) anderen Herstellern zugänglich mache. Im November kommt der Aufsichtsrat zusammen, um die Investitionen und Projekte der kommenden Jahre zu besprechen.
Neben der Weiterentwicklung seiner E-Autos plant VW auch den Einstieg in eine eigene Batteriezellenfertigung. Insidern zufolge planen die Wolfsburger eine milliardenschwere Partnerschaft mit dem koreanischen Batteriezellenhersteller SK Innovation. VW muss – wie andere Hersteller auch – die Produktion von batteriegetriebenen Autos in den kommenden Jahren kräftig ausweiten, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen. Sonst drohen hohe Strafzahlungen. Mit der Allianz will der Konzern unabhängiger von Lieferanten aus Asien werden.
OnVista/ Reuters
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