Regierung einigt sich auf China-Strategie
- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Nach monatelangen internen Verhandlungen hat sich die Bundesregierung auf eine China-Strategie geeinigt.
Das Konzept soll am Donnerstag im Bundeskabinett beschlossen werden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch aus Regierungskreisen. Die Strategie soll den Umgang mit China beschreiben, das zugleich als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale angesehen wird. Kerngedanke der als vertraulich eingestuften Strategie ist der Risikoabbau, um Abhängigkeiten von China zu beseitigen - ohne aber die Kontakte zu dem größten Handelspartner Deutschlands abzubrechen. Zudem soll etwa die Zusammenarbeit auf Feldern wie der Klimapolitik betont werden, sagten mehrere mit den Plänen vertraute Personen. Allerdings sollen konkrete Vorgaben für die Firmen eher allgemein gehalten werden. "Die Zielrichtung ist aber klar", heißt es. Wirtschaftsverbände wie der VDMA warnten vor neuen bürokratischen Hürden.
Die China-Strategie, die am Donnerstag auf einer Veranstaltung des China-Thinktanks Merics zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock vorgestellt werden soll, folgt der im Juni vorgelegten nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Umstritten waren lange Zeit die konkreten Auflagen für die deutsche Wirtschaft im China-Geschäft, um die von der Politik gewünschte Diversifizierung auch durchzusetzen. Dabei ging es zuletzt um die Frage, ob und in welchem Umfang auch Investitionen deutscher Firmen in China überprüft und unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden sollten. Die Wirtschaftsverbände hatten vor zu viel Bürokratie gewarnt, Kanzler Olaf Scholz auf eine Begrenzung auf wirklich strategische wichtige Bereiche gepocht.
Die deutschen Maschinenbauer forderten, dass es keine Eingriffe ins Exportgeschäft oder gar eine Abschottung von China geben dürfe. "Aktuell sehen wir allerdings Maßnahmen der Bundesregierung zur 'Entmutigung' der Unternehmen", sagte VDMA-Präsident Karl Haeusgen. So seien zum Beispiel in der Exportkreditversicherung Zulieferungen aus China bei Projekten nicht mehr erwünscht. Bei der Exportkontrolle gebe es erhebliche Verzögerungen bei Dual-Use-Genehmigungen und Ablehnungen von Anträgen. "Und im Auslandsmesseprogramm wurden 60 Prozent der China-Messen für 2024 gestrichen, ohne Rücksprache mit der Wirtschaft", kritisierte Haeusgen.
Die staatliche Absicherung von Investitionen deutscher Firmen in China war zuletzt deutlich gesunken, was das Wirtschaftsministerium auch mit einer restriktiveren Genehmigungspolitik erklärt. Dagegen hat der Bund die Exportkreditgarantien bisher nicht gedeckelt. Er übernahm im Jahr 2022 Kreditgarantien für Exporte nach China in Höhe von 977,2 Millionen Euro. Das Gesamtrisiko des Bundes für abgesicherte Exporte nach China belief sich Ende Dezember 2022 auf 2,3 Milliarden Euro.
ANGESPANNTES VERHÄLTNIS
Innerhalb der Bundesregierung war der Kurs gegenüber China lange umstritten. Scholz etwa setzte eine Minderheitsbeteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einer Betreibergesellschaft am kleinsten Container-Terminal im Hamburger Hafen gegen den Widerstand der Grün-geführten Außen- und Wirtschaftsministerien durch.
Scholz hatte auf dem G7-Gipfel in Hiroshima im Mai zudem betont, dass es auch weiter große Investitionen in China geben werde. In der Abschluss-Erklärung zu dem Gipfel hieß es, dass die G7 den weiteren Aufstieg Chinas nicht aufhalten wollten, aber sehr wohl die Abhängigkeiten von dem kommunistischen Land reduzieren würden. Zugleich wurde die Bereitschaft zu einer "konstruktiven und stabilen Beziehung" zu China betont.
Zuletzt hatte die Regierung in Peking mit Exportauflagen für die für Hightech-Produkte wichtigen Rohstoffe Germanium und Gallium für Unruhe gesorgt. Andere Länder wie Kongo und Russland hatten daraufhin eine Erhöhung ihrer Produktion angekündigt. Die Bundesregierung plädiert vor allem bei Rohstoffen für breiter aufgestellte Lieferketten und will rohstoffreichen Ländern helfen, die Bodenschätze noch im Land zu verarbeiten. Dies soll verhindern, dass China wie bisher etwa Lithium in großen Umfang aus aller Welt importiert, um es dann weiterverarbeitet zu exportieren und dadurch eine dominierende Stellung auf dem Weltmarkt zu bekommen.
Auch der Nato-Gipfel in Vilnius beschäftigte sich mit dem Umgang mit China. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, China sei zwar kein "Gegner" der Nato. Aber: "China stellt die auf Regeln basierende internationale Ordnung zunehmend in Frage, indem es sich weigert, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu verurteilen, Taiwan bedroht und eine erhebliche militärische Aufrüstung vornimmt." Die chinesische Regierung kritisierte die Äußerungenn von Stoltenberg scharf.
(Mitarbeit von Liz Lee and Ryan Woo; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)