Feuerpause verlängert - Tote bei Anschlag in Jerusalem

- von Ari Rabinovitch und Nidal al-Mughrabi
Jerusalem/Gaza (Reuters) - Kurz nach einer weiteren Verlängerung der Waffenruhe in Nahost haben zwei palästinensische Angreifer Polizeiangaben zufolge in Jerusalem mindestens drei Menschen getötet.
Acht weitere Personen seien verletzt worden. Der Angriff sei am Donnerstag während des morgendlichen Berufsverkehrs an einer Bushaltestelle verübt worden. Zwei bewaffnete "Terroristen" seien in einem Fahrzeug vorgefahren und hätten mit einem M-16-Gewehr und einer Handfeuerwaffe auf Zivilisten geschossen. Die Angreifer seien schließlich am Tatort selbst getötet worden. Die radikal-islamische Hamas räumte ein, der Anschlag sei von Mitgliedern der Palästinenser-Organisation verübt worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nahm die Tat zum Anlass, um einmal mehr das erklärte Kriegsziel zu bekräftigen, nämlich eine Zerstörung der Hamas.
Nur kurz vor dem Anschlag war es in nahezu letzter Minute gelungen, die seit sechs Tagen geltende Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas um einen weiteren Tag zu verlängern. Die ursprünglich auf vier Tage angesetzte "Einsatzpause" werde fortgesetzt, erklärte das israelische Militär wenige Minuten vor Auslaufen der Waffenruhe um 06.00 Uhr MEZ. Die Unterbrechung der Kampfhandlungen wurde in den vergangenen Tagen genutzt, um von der Hamas gehaltene Geiseln nach und nach gegen palästinensische Gefangene auszutauschen, die in israelischen Gefängnissen sitzen. Gleichzeitig konnten dringend benötigte Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht werden, wo die humanitäre Lage wegen des seit Anfang Oktober tobenden Kriegs immer prekärer geworden ist.
Hamas-Kämpfer hatten am 7. Oktober im Süden Israels nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln genommen, darunter Ausländer und Doppelstaatler. Israel startete daraufhin einen großangelegten Militäreinsatz aus der Luft, am Boden und vom Meer aus. Bis zum Eintreten der Waffenruhe wurden nach Angaben der Gaza-Behörden mehr als 15.000 Palästinenser getötet. Ein großer Teil der 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens versuchte nach Aufforderung des israelischen Militärs, sich im südlichen Teil des Küstengebiets in Sicherheit zubringen, da die Bombardements sich vor allem auf den Norden konzentrieren.
GEWALT-POTENZIAL
Der Angriff am Zugang zu Jerusalem schien zunächst keine unmittelbaren Folgen für die Waffenruhe in Nahost zu haben. Meldungen über neue Kampfhandlungen im Gazastreifen lagen nicht vor. Gleichwohl unterstrich der Anschlag, wie groß das Potenzial für eine Ausbreitung der Gewalt ist. Das israelische Fernsehen veröffentlichte Aufnahmen von Überwachungskameras: Ein weißes Auto hält neben einer Bushaltstelle, an der zahlreiche Menschen stehen. Zwei Männer steigen mit gezogenen Waffen aus und laufen auf die Menge zu, während Menschen in alle Richtungen davon laufen. Wenig später werden die Angreifer niedergeschossen. Nach Angaben der Polizei kamen die Angreifer aus Ostjerusalem. Soldaten, die nicht im Dienst gewesen seien, und ein Zivilist hätten sie gestoppt. Der israelische Geheimdienst Schin Bet identifizierte die Angreifer als zwei 30- und 38-jährige Brüder mit Verbindungen zur Hamas, die zuvor bereits in Israel im Gefängnis gewesen seien.
Die Hamas bezeichnete die Tat als heldenhaft. Sie sprach von einer "natürlichen Reaktion auf beispiellose Verbrechen, die durch die Besatzung betrieben wurden", und verwies auf Israels Militäreinsatz im Gazastreifen und die Behandlung palästinensischer Insassen in israelischen Gefängnissen. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Flügel der Hamas, übernahm die Verantwortung. Es habe sich um eine Reaktion auf die Verbrechen der Besatzer gehandelt, die Kinder und Frauen in Gaza töteten.
"Das ist dieselbe Hamas, die das schreckliche Massaker vom 7. Oktober verübt hat, dieselbe Hamas, die versucht, uns überall zu ermorden", sagte Netanjahu kurz nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Tel Aviv. "Wir haben geschworen, ich habe geschworen, die Hamas auszulöschen. Nichts wird uns aufhalten." Israels Kabinettsminister Benny Gantz sagte, der Angriff belege einmal mehr, dass Israel seinen Kampf "gegen den mörderischen Terrorismus, der unsere Bürger bedroht" entschlossen fortsetzen müsse.
VERMITTLER DRINGEN AUF WEITERE FEUERPAUSEN-VERLÄNGERUNG
Blinken sagte, der Angriff zeige "die Bedrohung durch den Terrorismus, der Israel und die Israelis jeden Tag ausgesetzt sind". Zugleich betonte der amerikanische Chef-Diplomat bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog, wie essenziell die Waffenruhe aus Sicht der USA sei. "Dieser Prozess bringt Ergebnisse, er ist wichtig, und wir hoffen, dass er fortgesetzt werden kann."
Ägyptische und katarische Vermittler bemühten sich nach Angaben aus Kairo um eine weitere zweitägige Verlängerung der Waffenruhe. Die in der Nacht zum Donnerstag erzielte Verlängerung um einen weiteren Tag auf nunmehr sieben Tage sehe die Freilassung weiterer zehn israelischer Geiseln sowie 30 palästinensischer Gefangener vor. Außerdem sollen Hilfsgüter im selben Umfang wie in den vergangenen sechs Tagen in den Gazastreifen geliefert werden. Insgesamt hat die Hamas bislang während der Waffenruhe 97 Geiseln freigelassen. 70 israelische Frauen und Kinder wurden gegen je drei palästinensische Frauen und Teenager ausgetauscht. Darüber hinaus wurden 27 ausländische Geiseln freigelassen auf Grundlage parallel ausgehandelter Abkommen mit deren jeweiligen Regierungen.
(geschrieben von Christian Rüttger, redigiert von Sabine Ehrhardt.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)