Scholz - Pläne für Magdeburger Intel-Werk nicht aufgehoben

- von Hakan Ersen und Juby Babu
Frankfurt/San Francisco (Reuters) - Wegen wirtschaftlicher Probleme verschiebt der US-Halbleiterhersteller Intel den Bau seiner geplanten Chipfabrik in Magdeburg.
Das Projekt sei aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag, der sich in der kasachischen Hauptstadt Astana aufhielt. Deutschland halte am geplanten Ausbau der Chip-Fertigung fest. Er verwies auf die jüngste Grundsteinlegung für ein Werk des weltgrößten Auftragsfertigers TSMC in Dresden. Dort erweitert außerdem Infineon sein Werk für fünf Milliarden Euro. In der Ampel-Koalition brach indes Streit aus, wie die zehn Milliarden Euro schweren Subventionen für die Magdeburger "Megafab" verwendet werden sollen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte auf dem Kurzmitteilungsdienst X, die Gelder in den Bundeshaushalt zu stecken, in dem für 2025 ein zwölf Milliarden Euro großes Loch klafft. Für Intel waren Regierungskreisen zufolge in diesem Jahr vier Milliarden Euro reserviert. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Mittel dagegen im Klimafonds KTF halten. Aus diesem werden zahlreiche Klimaprojekte finanziert, die den Grünen besonders wichtig sind.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr wurden dort 60 Milliarden Euro gestrichen. Seitdem ringt die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP noch härter ums Geld. Scholz warnte davor, voreilig über die weitere Verwendung der vorerst nicht benötigten Hilfen für Intel zu entscheiden.
VERBÄNDE - FÖRDERMITTEL FÜR CHIPINDUSTRIE ERHALTEN
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI pochte auf weitere Investitionen in die Chip-Fertigung, um die Abhängigkeit von ausländischen Importen zu verringern. "Trotz des gegenwärtig schwierigen konjunkturellen Umfelds wird die Nachfrage nach Halbleitern weiter steigen", betonte Wolfgang Weber, der Vorsitzende des ZVEI-Vorstands.
Auch der Digitalverband Bitkom riet davon ab, mit den frei gewordenen Geldern Haushaltslöcher zu stopfen. "Die Fördermittel müssen gezielt in digitale Schlüsseltechnologien investiert werden", sagte Geschäftsführer Bernhard Rohleder. "Halbleiter sind die Basistechnologie der deutschen Wirtschaft, das gilt für die Anbieter von Telekommunikationsleistungen, Cloud Computing und Künstlicher Intelligenz ebenso wie für klassische Industriezweige wie den Automobil- oder Maschinenbau."
Ökonomen einiger Wirtschaftsinstitute brachten dagegen eine Steuerreform ins Gespräch. Dem Industriestandort sei viel mehr gedient, wenn sich die Standortfaktoren für alle Unternehmen inklusive kleiner und mittelständischer verbesserten, sagte Friedrich Heinemann, Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), der Nachrichtenagentur Reuters.
INTEL WILL SICH AUS DER KRISE SPAREN
Intel, einst weltgrößter Chip-Hersteller, hatte am Montag (Ortszeit) angekündigt, den Bau der "Megafab" um zwei Jahre zu verschieben. Zudem würden die Pläne für eine weitere Anlage im polnischen Breslau vorerst auf Eis gelegt, nachdem sich der Konzern vor einigen Monaten bereits von einem geplanten Werk in Italien vorerst verabschiedet hatte.
Die Verschiebung dieser prestigeträchtigen Projekte ist ein Rückschlag sowohl für die betroffenen Länder als auch für die Europäische Union (EU). Letztere war mit dem "Chips Act" angetreten, um den heimischen Weltmarktanteil an der Halbleiter-Produktion bis 2030 zu verdoppeln. Dieses Ziel scheine nun unerreichbar, sagte Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Netzwerks Silicon Saxony.
Eigentlich wollte der kriselnde US-Konzern in Magdeburg 30 Milliarden Euro investieren und rund 3000 Arbeitsplätze schaffen. Der Produktionsbeginn für hochmoderne Chips war für etwa 2027 erwartet worden. Intel hat allerdings den Boom bei Künstlicher Intelligenz (KI) verschlafen. Dem Konzern fehlt es an konkurrenzfähigen Produkten für diese rechenintensiven Anwendungen. Gleichzeitig schwindet die Nachfrage nach klassischen Prozessoren. Während Erzrivale AMD mit diversen Übernahmen zum Angriff auf den Weltmarktführer Nvidia bläst, muss Intel mehr als zehn Milliarden Dollar einsparen und jede sechste Stelle streichen.
Intel hat zudem seine Auftragsfertigung und die Produktentwicklung getrennt und weist sie in der Bilanz separat aus. Außerdem wurde eine "Chinesische Mauer" zwischen den Abteilungen errichtet, damit potenzielle Käufer eines Bereichs keinen Zugriff auf Geschäftsgeheimnisse der anderen Sparte erhielten.
Eine positive Nachricht konnte Intel-Chef Pat Gelsinger am Montag dennoch verkünden: Sein Unternehmen werde gemeinsam mit der Cloud-Tochter des Online-Händlers Amazon, Amazon Web Services (AWS), KI-Chips entwickeln. AWS werde für Design-Dienstleistungen und Fertigung zahlen. Intel-Aktien stiegen daher im vorbörslichen US-Geschäft am Dienstag um knapp sieben Prozent.
(unter Mitarbeit von Andreas Rinke, Rene Wagner und Christian Krämer, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)