Miersch wird Nachfolger von Kühnert als SPD-Generalsekretär

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- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Die Kanzlerpartei SPD hat einen neuen kommissarischen Generalsekretär: Präsidium und Bundesvorstand billigten am Montagabend nach Angaben aus Parteikreisen, dass der 55-jährige Matthias Miersch neuer Generalsekretär wird.

Miersch, der zum linken Parteiflügel zählt, ersetzt Kevin Kühnert, der am Montag aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklärt hatte.

Die beiden Co-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil hatten für den Abend eine Sonderschalte des SPD-Präsidiums und -Bundesvorstands einberufen. Dort schlugen sie dann den bisherigen Vizevorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion als neuen Generalsekretär vor, was auf breite Zustimmung stieß.

Miersch, der Co-Vorsitzende der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion ist, ist nun kommissarisch im Amt. Formal muss er auf einem SPD-Parteitag gewählt werden. Bisher gibt es Planungen für einen außerordentlichen Parteitag im Sommer 2025, auf dem nach bisherigen Planungen auch Kanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der Partei gekürt werden soll.

Miersch gilt als sehr gut vernetzt in der Partei und hat viel Organisationserfahrung. Zudem gilt er als Experte auf dem Gebiet der Energie-, Industrie-, Klima- und Wirtschaftspolitik. Diese gelten im Wahlkampf als wichtige Felder der politischen Auseinandersetzung.

Eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge war mit Blick auf die nahende Bundestagswahl in der SPD als nötig erachtet worden, zumal es in der Ampel-Koalition anhaltende Spekulationen gibt, ob etwa die FDP die Regierung nicht vorzeitig platzen lässt.

KÜHNERT NANNTE GESUNDHEITLICHE GRÜNDE FÜR RÜCKTRITT

Am Montag hatte der 35-jährige Kühnert seinen Rücktritt mit seiner angeschlagenen Gesundheit begründet. "Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin", schrieb er in einer Mail an Parteifreunde und in einer Erklärung auf Instagram. "Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen." In Parteikreisen war von "mentalen Problemen" die Rede.

Er habe Esken und Klingbeil "vor wenigen Tagen informiert", dass er vom Amt des SPD-Generalsekretärs am Montag zurücktrete, schrieb Kühnert, der seit 2021 Mitglied des Bundestages ist. Außerdem habe er die Vorsitzenden der SPD im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg darüber informiert, dass er auch nicht mehr für ein neues Bundestagsmandat kandidieren werde.

Als Generalsekretär stand er seit Wochen politisch unter Druck, vor allem weil die SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schlecht abschnitt. Nachdem die beiden Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour nach der Landtagswahl in Brandenburg zurücktraten, wurde Kühnert mehrfach mit der Frage konfrontiert, ob er nicht auch Verantwortung für die Wahlergebnisse übernehmen wolle - obwohl die SPD in Brandenburg dann sogar stärkste Kraft wurde. Kühnert antwortete darauf mehrfach, dass er sich die Frage auch stelle und zu einem Rückzug bereit sei, wenn dies der SPD helfen würde.

LINNEMANN WÜRDIGT KÜHNERT- AFD "SIEHT AUFLÖSUNGSERSCHEINUNG"

Parteiübergreifend gab es Respekt für den Schritt Kühnerts. "Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass es Stabilität in der SPD gab, und er hat entscheidend dazu beigetragen, dass unsere Partei sich weiterentwickelt hat in den letzten Jahren", sagte SPD-Chef Klingbeil. "Ich habe Kevin Kühnert als verdammt ehrlichen Kollegen kennengelernt. Die Zusammenarbeit war trotz politischer Differenzen immer verlässlich und vertrauensvoll", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der "Rheinischen Post". "Gesundheit muss immer vorgehen. Ich wünsche ihm viel Kraft und eine schnelle und vollständige Genesung." Ähnlich äußerten sich Politikerinnen und Politiker von Grünen und FDP.

Dagegen schrieb die AfD-Co-Chefin Alice Weidel, dass nach dem Rücktritt der Grünen-Vorsitzenden eine zweite Regierungspartei "Auflösungserscheinungen" zeige. "Warum tritt Scholz eigentlich nicht zurück?", schrieb sie mit Blick auf den Kanzler.

Im Umfeld Kühnerts wurde am Montag betont, dass die angeführten gesundheitlichen Gründe nicht vorgeschoben seien. "Eine Krankheit ist Privatsache", mahnte SPD-Chefin Esken, die auch die Medien um Zurückhaltung bat.

Kühnert schrieb von einer doppelten Verantwortung gegenüber sich selbst und der SPD. Er verwies darauf, dass er selbst in einem Interview gerade gesagt habe, dass die SPD im Bundestagswahlkampf 2025 über sich hinauswachsen müsse. Die Partei müsse eine enorme Kraftanstrengung unternehmen, um einen Rückstand in Umfragen und in einem "niedrigen Selbstbewusstsein" aufzuholen. "Die Erwartungen an uns sind riesig", hatte er gesagt. Dieser Erwartung könne er aber derzeit nicht gerecht werden, entschied er nun.

(Mitarbeit: Holger Hansen; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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