Kolumne von Alexander Mayer 01.02.2025

Das ist jetzt der wichtigste Chart für Bitcoin und die Finanzmärkte

decentralist.de · Uhr
Quelle: Ink Drop/ Shutterstock

Es gibt viele fundamentale Faktoren, die die Richtung der Finanzmärkte bestimmen. Einer der größten ist die Entwicklung der Liquidität. Die Zinskosten für Kredite, der Spielraum im Balancesheet von Geschäftsbanken für die Kreditvergabe, geldpolitische Vorgaben der Zentralbanken und fiskalische Maßnahmen der Regierungen spielen alle in diese Gleichung mit hinein. Ein elementarer Faktor ist jedoch auch die Erwartungshaltung der Märkte. Die Antizipation darauf, wie die Liquiditätsbedingungen sich entwickeln werden, hat einen sehr großen Einfluss auf die Kursentwicklung.

Bei Bitcoin – genauso wie bei Gold - ist das aktuell wieder gut zu erkennen. Seit dem letzten Zinsstraffungszyklus der Federal Reserve im Jahr 2022 haben sich die Liquiditätsbedingungen wieder deutlich verbessert. Ein Mix aus einer Erwartungshaltung an die Fed, fiskalischen Maßnahmen der US-Regierung, die isoliertes Kapital aus der Reverse Repo Facility der Fed freigesetzt haben und die schlussendlich im Herbst 2024 eingeleitete neue Zinssenkungsphase haben die Liquiditätsbedingungen verbessert und den Treibstoff für die Rally der vergangenen Monate geliefert.

Natürlich haben im Fall von Bitcoin ebenfalls fundamentale Entwicklungen geholfen: Die Einführung der Spot-ETFs Anfang 2024 war ein starker Impulsgeber. Der Wahlsieg von Donald Trump und sein Zuspruch für die Krypto-Industrie, die zu einem maßgeblichen regulatorischen Umschwung und einer neuen Legitimation von Kryptowährungen geführt haben, sorgen ebenfalls für eine hohe Erwartungshaltung und steigende Kurse.

Das Rad muss sich weiterdrehen

Die Liquidität bleibt jedoch der größte Treiber für die Märkte und besonders für Bitcoin, da das Asset besonders sensibel auf entsprechende Veränderungen reagiert. Und das macht auch Sinn, denn Bitcoin ist im Kern eine Antithese zum derzeitigen Modell. Die weltweite Verschuldung steigt seit Jahrzehnten. Es braucht immer neue Infusionen an Liquidität, um das Rad weiter drehen zu lassen. Das System ist schon lange nicht mehr darauf ausgelegt, dass die Schulden irgendwann zurückgezahlt werden.

Stattdessen muss das Collateral – Vermögenswerte wie Aktien, Anleihen und Co., die als Deckung für Kredite herhalten - weiter im Kurs steigen, um Spielraum für weitere Kredite zu gewähren. Das funktioniert nur durch eine anhaltende Ausweitung der Liquidität, damit der Kreislauf aus Schuldenrefinanzierung und steigenden Kursen der hinterlegten Sicherheiten weitergehen kann. Spätestens, wenn die Refinanzierung der Schulden fällig wird, bedarf es Maßnahmen wie Zinssenkungen oder direkte Stimuli.

Unmittelbar lässt neue Liquidität auf sich warten

Aktuell lässt die Liquiditätssituation jedoch zu wünschen übrig. Während die US-Wirtschaft sich robust zeigt, etabliert die Inflation einen neuen Aufwärtstrend und ist weit von dem von der Fed gewünschten Ziel von 2,0 Prozent entfernt. Das liefert der Fed anhand ihres Doppelmandats, den Arbeitsmarkt stabil und die Inflation niedrig zu halten, im Grunde keinen Spielraum für weitere Senkungen. Gleichzeitig baut die Fed weiterhin ihr Balancesheet ab und entzieht dem Markt Liquidität. Die fiskalischen Maßnahmen der Regierung haben dem in den letzten Monaten entgegengewirkt, indem Kapital aus der Reverse Repo Facility über die vermehrte Ausgabe von kurzlaufenden Anleihen mit einem leicht besseren Zinsniveau herausgezogen wurde, doch dieser Geldtopf ist beinahe ausgeschöpft.

Die Entwicklungen anderer makroökonomisch relevanter Spieler ist ebenfalls nicht hilfreich. China steht zwar am wirtschaftlichen Abgrund und muss stimulieren. Entsprechende Maßnahmen wurden auch bereits letztes Jahr eingeleitet. Doch zu Beginn des Jahres hat die chinesische Regierung eine kurzfristige Kehrtwende gemacht, das Ende ihres Anleihekaufprogramms angekündigt und Maßnahmen ergriffen, den Yuan zu stärken. Das dürfte politisches Kalkül sein, um Verhandlungsspielraum mit Trump zu haben, der hohe Zölle gegen China angekündigt hat. Beide Länder benötigen jedoch schwächere Währungen und stärkere Exporte, um den Wirtschaftsaufschwung voranzutreiben.

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Auch Japan als wichtiger globaler Faktor für die Liquidität liefert derzeit keine hilfreichen Impulse. Die Bank of Japan befindet sich in einem Zinserhöhungszyklus, Zinsen japanischer Staatsanleihen haben Niveaus erreicht wie seit 15 Jahren nicht. Das verringert den Spread zwischen Yen- und Dollar-Zinsen und lässt die Gefahr des Endes des Yen-Carry-Trades wieder hochkommen. Anleger könnten US-Assets, vor allem Staatsanleihen, verkaufen, um ihre in Yen laufenden Kredite weiter bedienen zu können, die vorher aufgrund des hohen Spreads eine lukrative Arbitrage-Möglichkeit geliefert haben.

Die Pause kann nicht ewig weitergehen

Trotzdem notieren sowohl Gold als auch Bitcoin als Indikatoren für Liquiditätsentwicklung und -erwartung nahe ihrer Hochs. Der Markt setzt auf die Mechanismen der Fiat-Welt: Schulden müssen refinanziert, der Wert des Collaterals muss weiter aufgebläht werden. Das Rad muss sich weiterdrehen, wenn es nicht auseinanderfallen soll.

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Die USA müssen dieses Jahr eine gigantische Schuldensumme refinanzieren. China muss die heimische Wirtschaft vor einer Rezession bewahren. Europa steckt bereits in einer Rezession. Die Welt hungert nach neuer Liquidität.

Das ist der wichtigste Chart

Es gibt einen entscheidenden Chart, der zeigt, wann der Kipp-Punkt erreicht sein könnte: Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen. 10-jährige Treasuries sind das globale Benchmark schlechthin für Kredite, dienen als Deckung für viele Hypotheken und andere festverzinsliche Instrumente und sind eine tragende Säule des Finanzmarktes. Das magische Niveau stellt die Linie von 5 Prozent dar, welche seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr überschritten wurde und zuletzt vor der Dotcom-Krise höher notiert hat. Sobald diese Marke überschritten wird, scheint eine kritische Grenze überschritten zu sein, da der Kurs der Anleihen dann zu stark fällt und die Deckung für viele Kredite nicht mehr hoch genug ist, was zu Schwierigkeiten bei vielen Finanzmarktakteuren führt.

Quelle: Tradingview

Zuletzt wurde diese Marke im Herbst 2023 angekratzt. Das US-Finanzministerium hat sofort drastische Maßnahmen ergriffen und die Schuldenaufnahme massiv ans kurzfristige Ende der Zinskurve verlagert. Das hat für eine zwischenzeitliche Entspannung gesorgt. Seit dem Start der neuen Zinssenkungsphase der Fed nähern wir uns paradoxerweise jedoch wieder dem Wert von 5 Prozent. Das liegt zum einen daran, dass der Markt Zweifel hat, ob die Inflation nicht doch wieder ein Problem wird und die Fed zu einer weiteren Kehrtwende zwingt.

Zum anderen fehlen vermehrt die Käufer für weitere Staatsanleihen. China kauft nicht mehr, sondern will sich mit seinen BRICS-Bemühungen zusammen mit anderen Staaten vom Dollar-System abwenden. Japan kauft nicht mehr, weil sie den Yen verteidigen müssen, um die heimische Inflation zu dämpfen. Am freien Markt kaufen immer weniger, weil die wachsende US-Schuldenkrise das Vertrauen in langlaufende Anleihen schmälert.

Egal was Fed-Chef Jerome Powell und andere Notenbanker sagen. Wenn der Zins zu hoch steigt, wird das zu systemischen Problemen führen. Spätestens dann werden sie intervenieren müssen, mit Zinssenkungen, Quantitative Easing, Notfall-Liquiditätsprogrammen oder neuen kreativen Werkzeugen. Das ist das Hauptargument für einen weiter steigenden Bitcoin-Preis im Jahr 2025, selbst wenn es auf dem Weg dahin noch sehr volatil werden sollte.

Denken Sie langfristig!

Donald Trump lässt Worten Taten folgen und bereitet dem Krypto-Sektor den Weg. Was für Auswirkungen die ersten Krypto-Exekutiv-Verordnungen haben können, erfahren Sie in der aktuellen Analyse von decentralist.

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