Kabinett beschließt "Bau-Turbo" für mehr Pragmatismus beim Wohnungsbau

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- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung will dem brachliegenden Wohnungsbau mit vereinfachten Genehmigungsverfahren einen Schub verleihen.

"Wir sind viel zu langsam, viel zu kompliziert", sagte Bauministerin Verena Hubertz am Mittwoch auf einer Baustelle im Zentrum von Berlin. Die SPD-Politikerin will den Druck auf Behörden und Kommunen erhöhen, schnell Entscheidungen zu Neubauten, aber auch Aufstockungen und Nachverdichtungen zu fällen. Sie betonte, es gebe unter anderem ein großes Potenzial von Wohnraum auf Dächern von Supermärkten.

Das Kabinett hatte am Vormittag grünes Licht für den sogenannten Bau-Turbo gegeben. Konkret geplant sind mehrere Änderungen im Baugesetzbuch. So sollen Kommunen die Möglichkeit erhalten, Genehmigungsverfahren zu straffen, indem sie von Bebauungsplänen abweichen können. Die Regelung soll befristet bis Ende 2030 gelten.

Bebauungsplanverfahren der Kommunen dauern oft mehrere Jahre. Die Pläne werden erstellt, um die bauliche Nutzung von Grundstücken innerhalb eines bestimmten Gebietes zu regeln. So wird festgelegt, wie Grundstücke genutzt und bebaut werden dürfen, einschließlich der Art und des Umfangs der Bebauung, der Bauweise sowie der Verkehrs- und Grünflächen. Jetzt sollen Bauten automatisch erlaubt werden, wenn die Gemeinde nicht innerhalb von zwei Monaten dagegen votiert. Die finanzielle Entlastung für Verwaltung, Unternehmen und Bürger durch schnellere Verfahren bezifferte das Bauministerium auf rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Hubertz hatte zuletzt immer wieder von der Brechstange gesprochen, die nötig sei. Sie wollte auf Nachfrage erneut nicht das Ziel der Vorgängerregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr übernehmen, welches die Ampel-Koalition allerdings nie erreicht hatte. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 251.900 Neubauwohnungen fertiggestellt und damit 14,4 Prozent weniger als 2023. Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, die Bagger müssten viel stärker rollen. "Wir brauchen ein anderes Tempo." Dies gebe die Regierung jetzt vor. Zudem sei der 500 Milliarden Euro schwere Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur ein klares Signal an die Wirtschaft, dass wieder mehr gebaut werde. Klingbeil will nächste Woche die Details vorstellen, wie die Gelder konkret eingesetzt werden sollen.

KRITIK: HUBERTZ GLEICHZEITIG AUF GASPEDAL UND BREMSE

Der Gesetzentwurf soll im Herbst vom Bundestag beschlossen werden. Der Immobilienverband IVD bemängelte, dass Hubertz widersprüchliche Signale sende. Sie sei gleichzeitig auf dem Gaspedal und der Bremse, indem die Mietpreisbremse um vier Jahre verlängert werde. Zudem enthält der "Bau-Turbo" eine Verlängerung des Umwandlungsschutzes von Mietwohnungen bis Ende 2030. In besonders angespannten Wohngebieten soll so verhindert werden, dass massenweise Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Dies begrüßte der Mieterbund. Er kritisierte allerdings, dass ein kommunales Vorkaufsrecht in sogenannten Milieuschutzgebieten nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Der IVD betonte, Mieter hätten nach einer Umwandlung bereits einen maximalen Kündigungsschutz.

Die Wohnungswirtschaft begrüßte den Gesetzentwurf. "Entscheidend ist aber, dass die geplanten Regelungen auch in der Praxis funktionieren und Anwendung finden", sagte Axel Gedaschko, Präsident des Branchenverbandes GdW. "Der Bau-Turbo ist ein sinnvoller Baustein auf dem Weg zu mehr Tempo im Wohnungsbau - aber eben nur einer." Für einen Durchbruch brauche es deutlich mehr Mut zur Vereinfachung. "Gerade die heute veröffentlichten Zahlen zu den Baugenehmigungen zeigen, dass der dringend notwendige Neustart bislang ausbleibt. Bei den Mehrfamilienhäusern herrscht mit minus 0,1 Prozent eine Stagnation auf niedrigstem Niveau."

Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, betonte, über den "Bau-Turbo" könnten auch Einfamilienhäuser genehmigt werden. Die Zahl der Baugenehmigungen wuchs im April um 4,9 Prozent auf 18.500, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von Januar bis April wurden 73.900 Wohnungen genehmigt - das waren 3,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, getragen allerdings allein durch die anziehende Nachfrage nach Einfamilienhäusern. Höhere Zinsen und teure Baumaterialien hatten zuvor den jahrelangen Bauboom beendet. Hubertz will die Baukosten halbieren. Sie wird dafür vermutlich auf weniger Vorschriften und einfachere Baustandards setzen. Dünnere Wände und weniger Tiefgaragen könnten beispielsweise helfen.

Das Finanzministerium teilte zudem mit, am vergangenen Montag habe der Zoll bundesweit Baustellen ins Visier genommen, um Fälle von Schwarzarbeit aufzudecken. Vor Ort seien rund 300 Straf- sowie über 400 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Klingbeil will noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die Finanzkontrolle Schwarzarbeit gestärkt werden soll.

(Mitarbeit von Rene Wagner, Markus Wacket und Miranda Murray, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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