Kondensstreifen schaden dem Klima - Ärger um Flugrouten
FRANKFURT (dpa-AFX) - Passagierflugzeuge leisten einen erheblichen Anteil zur globalen Erwärmung. Neben dem reinen CO2-Ausstoß belasten zusätzlich Aerosole, Stickoxide und in einem sehr großen Umfang auch die bekannten Kondensstreifen das Klima. Zusammen sind die "Non-CO2-Effekte" für mehr als 60 Prozent des Klimaschadens durch Flugzeuge verantwortlich, sagen Forscher.
Seit einigen Jahren gibt es daher auch in Deutschland Untersuchungen, wie Luftmassen umflogen werden können, in denen sich besonders langlebige Kondensstreifen bilden. Angesichts fehlender Alternativen zum Verbrennungsantrieb scheint das ein vergleichsweise einfacher Weg, schnell die erheblichen Umweltbelastungen durch den Flugverkehr zu reduzieren. Doch nun gibt es Streit.
Wie entstehen Kondensstreifen?
Die Streifen bilden sich, wenn Wasserdampf aus den Flugzeugtriebwerken auf kalte Luft trifft und zu Eiskristallen kondensiert. Diese hängen sich an die ebenfalls von den Turbinen ausgestoßenen Rußpartikel. Bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit sind die Streifen besonders langlebig und können sich zu künstlichen Zirruswolken entwickeln. Dies geschieht vor allem in großen Höhen von mindestens zehn Kilometer, der üblichen Reisehöhe von Verkehrsflugzeugen.
Wie umweltschädlich sind Kondensstreifen?
Das hängt von mehreren Umständen ab - unter anderem von der Tageszeit. Wie natürliche Wolken halten ihre künstlichen Pendants warme Luftmassen in niedrigeren Luftschichten. Das ist vor allem nachts ein Problem. Tagsüber können die künstlichen Wolken hingegen die Erde sogar gegen Wärmestrahlen der Sonne abschirmen. Die Klimawirkung hängt auch an der Jahreszeit und der geografischen Position des Flugzeugs.
Welche Möglichkeiten zur Vermeidung gibt es?
Neben alternativen Treibstoffen mit weniger Rußpartikeln scheint vor allem die Routenoptimierung geeignet, Kondensstreifen zu reduzieren. Die Flugzeuge müssten dabei Umwege mit zusätzlichem Kerosinverbrauch fliegen, um feuchte Höhenluftschichten zu meiden. Die jeweiligen Umwelteffekte der Routen müssen gemessen und gegeneinander aufgerechnet werden. Bei den Treibstoffen empfehlen die Wissenschaftler von Future Cleantech Architects (FCA) den gezielten Einsatz von nachhaltig hergestellten synthetischen Kraftstoffen (SAF) auf Flügen, auf denen besonders viele Kondensstreifen zu erwarten wären.
Lohnen sich Umwege mit höherem Kerosinverbrauch?
Die europäische Umweltschutzorganisation Transport & Environment geht davon aus, dass nur 3 Prozent sämtlicher Flüge für 80 Prozent der klimaschädlichen Kondensstreifen verantwortlich sind. Ihre Routen vor allem über den Nordatlantik müssten auf kleinen Streckenabschnitten verändert werden, wobei die Jets 5 Prozent oder weniger zusätzlichen Treibstoff verbrauchten. Der Nutzen für das Klima sei zwischen 15 und 40 Mal größer als der Nachteil durch das zusätzlich verbrannte Kerosin. In der Praxis sind diese Zahlen bislang kaum belegt.
Welche Probleme gibt es bei der Umsetzung?
Beim deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) läuft das Forschungsprojekt "D-Kult", in dem 2024 mehr als 100 reguläre Flüge deutscher Gesellschaften umgeleitet wurden, um Kondensstreifen zu vermeiden. Die infrage kommenden Flüge mussten unter anderem bei Lufthansa , Condor und DHL mit großem personellem Aufwand ausgewählt und geplant werden. Für automatisierte Flugplanungen fehlt es an verlässlichen Daten etwa zum Wetter entlang der kompletten Route. Sichere Aussagen zu tatsächlich vermiedenen Klimaeffekten seien bislang nicht möglich, sagen Teilnehmer.
Sehr große Umwege wurden nicht geplant, weil das die Stabilität des gesamten Netzwerkes gefährdet hätte. Schon kleine Verspätungen können zu großen Problemen und zusätzlich notwendigen Flügen führen, wenn Slots verpasst oder Nachtfluggrenzen gerissen würden, warnt die ebenfalls beteiligte Tuifly. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) weist zudem auf den engen Luftraum in Europa und über dem Atlantik hin: Änderungen ursprünglicher Flugpläne in sogenannte Yo-Yo-Routen (auf und ab) führten unweigerlich zu Domino-Effekten und würden zu einem erhöhtem Koordinierungsaufwand durch die Lotsen führen.
Was plant die Europäische Union?
Seit Jahresbeginn hat die EU die europäischen Fluggesellschaften verpflichtet, die Nicht-CO2-Effekte ihrer Europaflüge festzustellen und zu berichten. Das dafür notwendige Berichtsystem "NEATS" (Non-CO2 Aviation Effects Tracking System) soll dem deutschen Branchenverband BDL zufolge aber erst zum Ende des Jahres im vollen Umfang verfügbar sein. Inhaltlich sei das Instrument für die Airlines bislang eine "Black Box", kritisiert BDL-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Wegen fehlender Forschungsergebnisse seien die erwartbaren NEATS-Ergebnisse zur Klimawirkung nicht verlässlich und wegen konservativer Annahmen eher zu hoch angesetzt.
Warum will die Luftverkehrsbranche einen Aufschub?
Der BDL fürchtet eine weitere Belastung für die europäischen Fluggesellschaften im Wettbewerb mit Anbietern etwa aus der Türkei oder aus dem arabischen Raum. Die EU will die Non-CO2-Effekte in den bereits bestehenden Emissionshandel für CO2-Zertifikate integrieren. Das würde bedeuten, dass die Fluggesellschaften neben "Verschmutzungsrechten" für Kerosin auch solche für Kondensstreifen beziehen und zahlen müssten. Unklar ist zudem, wer den zusätzlichen Treibstoff bei klimafreundlichen Umwegen zahlen würde. Hier verlangt der BDL ein Moratorium, bis verlässlichere Untersuchungen vorliegen. Diese sollen unter anderem aus dem bereits genehmigten Nachfolgeprojekt SD-KULT kommen, das 2026 starten soll./ceb/DP/zb