Nepals Ministerpräsident nach eskalierten Protesten zurückgetreten
Kathmandu (Reuters) - Nach der Eskalation der Antikorruptionsproteste in Nepal ist Ministerpräsident K.P. Sharma Oli zurückgetreten.
Angesichts der schwierigen Lage im Land wolle er damit zu einer Lösung der Probleme beitragen, erklärte der 73-Jährige am Dienstag. Trotz einer unbefristeten Ausgangssperre kam es in der Hauptstadt Kathmandu erneut zu Protesten gegen die Regierung und auch wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei. Am Montag waren 19 Menschen bei gewaltsamen Protesten ums Leben gekommen. Auslöser war ein Verbot sozialer Medien durch die Regierung, das von den meist jungen Demonstranten als Zensurversuch verurteilt wurde, um die Kritik an der Regierung zum Schweigen zu bringen.
Es sind die schwersten Unruhen seit Jahrzehnten in dem armen Himalaya-Staat, dem seit der Abschaffung der Monarchie im Jahr 2008 politische Instabilität und wirtschaftliche Unsicherheit zu schaffen machen. Am Dienstag hob die Regierung die Blockade der Online-Plattformen wieder auf. Die Armee veröffentlichte auf X einen Aufruf zur "Zurückhaltung", da Olis Rücktritt von Präsident Ramchandra Paudel angenommen worden sei. Dieser leitete einem Mitarbeiter zufolge die Suche nach einem Nachfolger ein.
BRENNENDE REIFEN - FLUGHAFEN GESCHLOSSEN
Dennoch ebbte die Wut auf die Regierung nicht ab. Demonstranten trotzten der Ausgangssperre und versammelten sich vor dem Parlament sowie an anderen Orten in Kathmandu. Protestierende setzten Reifen in Brand, bewarfen Polizisten mit Steinen und verfolgten sie durch enge Gassen. Augenzeugen berichteten zudem, dass Demonstranten die Häuser einiger Politiker in Brand setzten. Lokalen Medien zufolge wurden mehrere Minister mit Militärhubschraubern in Sicherheit gebracht. Auch sollen sich Hunderte Menschen aus Städten nahe der indisch-nepalesischen Grenze zu einem Protestmarsch nach Kathmandu auf den Weg gemacht haben, um die Demonstranten zu unterstützen, wie einer der Protestierenden telefonisch mitteilte. Der Flughafen Kathmandu, Nepals wichtigste Verbindung ins Ausland, wurde geschlossen. Der Rauch nahe gelegener Feuer, die von Demonstranten gelegt worden seien, könne die Sicherheit gefährden, teilte die Luftfahrtbehörde mit.
Die Regierung hatte in der vergangenen Woche den Zugang zu mehreren Online-Plattformen blockiert. Sie warf ihnen mangelnde Kooperation beim Kampf gegen die Verbreitung von Hass und Falschmeldungen vor. Oli sprach in seiner Rücktrittserklärung von Gewalt aufgrund der "Infiltration durch verschiedene selbstsüchtige Zentren", ohne dies auszuführen. Auf die Korruptionsvorwürfe der Demonstranten ging er nicht direkt ein.
"WIR WOLLEN DIESES LAND KORRUPTIONSFREI"
Die Organisatoren der Proteste, die sich auch auf andere Städte ausgeweitet haben, bezeichnen sie als "Demonstrationen der Generation Z". Sie werden von der weit verbreiteten Enttäuschung junger Menschen angetrieben, die der Regierung Untätigkeit bei der Bekämpfung von Korruption und der Förderung wirtschaftlicher Chancen vorwerfen. "Wir stehen immer noch hier für unsere Zukunft... Wir wollen dieses Land korruptionsfrei, damit jeder leicht Zugang zu Bildung, Krankenhäusern, medizinischen Einrichtungen... und eine glänzende Zukunft haben kann", sagte ein Demonstrant Reuters TV. "Der Protest richtet sich in erster Linie gegen die grassierende Korruption in der Regierung", schrieb ein anderer Demonstrant in einer E-Mail an Reuters. Junge Nepalesen hätten in sozialen Medien Beiträge über das "luxuriöse Leben der Familien und Kinder korrupter Politiker und Beamter" veröffentlicht. Die Regierung reagierte darauf mit einem Verbot von Online-Plattformen, hieß es in der E-Mail.
Der Nachbar Indien, wo Hunderttausende nepalesische Wanderarbeiter leben, erklärte, man hoffe, dass alle Beteiligten Zurückhaltung üben und Probleme durch Gespräche lösen werden. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Botschaften Australiens, Finnlands, Frankreichs, Japans, Südkoreas, Großbritanniens, Norwegens, Deutschlands und der USA alle Parteien in Nepal auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben, eine weitere Eskalation zu vermeiden und die Grundrechte zu schützen.
(Bericht von Gopal Sharma und Navesh Chitrakar, geschrieben von Christian Götz; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)