Diese Steuerregelung gilt bei Abspaltungen
Am Donnerstag hat sich Continental in den Mutterkonzern und den Zulieferer Aumovio aufgespalten. Wie wird eine solche Abspaltung vom Finanzamt gesehen? Zwei Steuerprofis geben in diesem Gastbeitrag Aufschluss darüber.

Viele Continental-Aktionäre stellen sich derzeit eine zentrale Frage: Wenn durch die Abspaltung von Aumovio neue Aktien ins Depot gebucht werden – gilt der Einstandskurs steuerlich als „0 Euro“ oder entspricht er dem ersten Börsenkurs? Die Antwort ist wichtig, weil davon abhängt, welcher Gewinn oder Verlust später beim Verkauf steuerpflichtig wird.
Keine „Null-Euro“-Anschaffung
Rechtlich handelt es sich bei der Abspaltung um eine steuerneutrale Kapitalmaßnahme. Nach Paragraph 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bleiben die ursprünglichen Anschaffungskosten der Continental-Aktien bestehen, sie werden jedoch auf beide Wertpapiere verteilt.
Das bedeutet: Die neuen Aumovio-Aktien starten steuerlich nicht mit einem Einstand von 0 Euro. Ebenso wenig gilt der erste Börsenkurs als Anschaffungswert.
Aufteilung nach Börsenwerten
Wie läuft das konkret? Depotbanken orientieren sich hier an den Vorgaben des Paragraph 20, Absatz 4a des EStG.
Zu den Autoren: Dr. Christopher Arendt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht bei Acconsis in München. Dr. Felix Siegel ist Steuerberater bei Acconsis in München.
Maßgeblich ist das Verhältnis der Börsenwerte beider Gesellschaften unmittelbar nach der Abspaltung. Dieses Verhältnis bestimmt, welcher Teil der ursprünglichen Continental-Anschaffungskosten künftig auf Continental entfällt und welcher auf Aumovio.
Continental und Aumovio in der Beispielrechnung
Ein Anleger hat zwei Continental-Aktien zu je 50 Euro gekauft, also Anschaffungskosten von insgesamt 100 Euro. Für diese zwei Aktien erhält er nun zusätzlich eine Aumovio-Aktie. Direkt nach Handelsstart wird der Börsenwert von Continental mit 70 Euro je Aktie bewertet, Aumovio notiert bei 30 Euro je Aktie.
1. Ermittlung der Marktwerte nach der Abspaltung
- Continental: 2 × 70 Euro = 140 Euro
- Aumovio: 1 × 30 Euro = 30 Euro
- Gesamtwert = 170 Euro
2. Berechnung der prozentualen Anteile
- Continental: 140 Euro / 170 Euro = 82,35 Prozent
- Aumovio: 30 Euro / 170 Euro = 17,65 Prozent
3. Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten (100 Euro)
- Continental: 100 Euro × 82,35 Prozent = 82,35 Euro
- Aumovio: 100 Euro × 17,65 Prozent = 17,65 Euro
4. Neue Einstandskurse je Aktie
- Continental-Aktie: 82,35 Euro / 2 = 41,18 Euro
- Aumovio-Aktie: 17,65 Euro
Damit gilt steuerlich: Wer später verkauft, muss den jeweiligen Verkaufserlös mit diesen anteiligen Einstandswerten vergleichen. Nur die Differenz wird als Gewinn oder Verlust versteuert.
Sonderfall ausländische Abspaltungen
Interessant ist der Blick ins Ausland: In der Vergangenheit war oft unklar, wie Abspaltungen von Nicht-EU-Unternehmen steuerlich zu behandeln sind. Der Bundesfinanzhof (unter anderem im Urteil vom 19.10.2021, Az. VIII R 7/20) stellte klar: Auch bei einer ausländischen Abspaltung greift die steuerneutrale Behandlung, wenn die wesentlichen Merkmale einer deutschen Abspaltung vorliegen.
Dazu gehören die Schaffung einer neuen Gesellschaft und die anschließende Ausgabe der Spin-off-Aktien an die Altaktionäre. In solchen Fällen gilt ebenfalls: keine Sofortbesteuerung, sondern Aufteilung der historischen Anschaffungskosten.
Fazit für Anleger
Für Continental-Aktionäre bedeutet das: Die Aumovio-Aktien erhalten automatisch einen anteiligen Buchwert aus den ursprünglichen Anschaffungskosten. Die exakte Prozentaufteilung teilen die Depotbanken in den Abrechnungen mit. Anleger müssen selbst nichts tun, sollten die Angaben aber überprüfen.
Hinweis: Diese Darstellung ist allgemeine steuerliche Information und ersetzt keine individuelle Beratung.