Merz schlägt 140-Mrd-Kredit für Ukraine aus Russland-Vermögen vor

- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will der Ukraine durch eine erweiterte Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens in der EU sehr viel mehr Geld zur Verfügung stellen als bisher.
"Nach meiner Überzeugung sollte nun eine Lösung entwickelt werden, wie wir – ohne in die Eigentumsverhältnisse einzugreifen – der Ukraine einen zinslosen Kredit in Höhe von insgesamt fast 140 Milliarden Euro zur Verfügung stellen können", schrieb Merz in einem am Donnerstag veröffentlichten Gastbeitrag der "Financial Times". Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) unterstützt dies und erklärte, man brauche maximalen Druck auf Putin, damit er seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine endlich beende.
"Dieser Kredit würde erst dann zurückgezahlt, wenn Russland die Ukraine für die verursachten Schäden entschädigt hat", schrieb Merz. Bis dahin sollten die russischen Vermögenswerte eingefroren bleiben. Der informelle EU-Gipfel kommende Woche in Kopenhagen soll über den Vorschlag beraten. Dort dürfte der Vorstoß das zentrale Thema werden, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
"Deutschland ist bereit, neue Wege zu gehen, die rechtlich möglich und verantwortbar sind", teilte Vizekanzler Klingbeil mit. Das habe der Bundeskanzler deutlich gemacht. "Daran werden wir auch im Kreis der G7- und EU-Finanzminister weiter intensiv arbeiten", kündigte er an. Zustimmung kam auch vom stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionschef Norbert Röttgen. "Bisher war der Faktor Zeit auf Russlands Seite. Durch die Nutzung der Gelder können wir den Spieß umdrehen und die Verteidigung der Ukraine auf Jahre finanzieren", teilte er mit.
NEUE IDEE DER EU-KOMMISSION
Merz bezieht sich auf einen neuen Vorschlag der EU-Kommission, wie man das in Belgien liegende, eingefrorene Geld der russischen Zentralbank für die Ukraine nutzen kann. Bisher wird nur aus den Erträgen ein Kredit an die Ukraine finanziert.
Merz sagte auch, Deutschland "war und ist in der Frage der Beschlagnahmung der in Europa eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank aus gutem Grund zurückhaltend". Dabei seien nicht nur völkerrechtliche Fragen zu berücksichtigen, sondern auch grundlegende Fragen zur Rolle des Euro als globale Reservewährung. "Das darf uns jedoch nicht zurückhalten."
RÜCKZUG DER USA LÖST NEUE DEBATTE AUS
Hintergrund der nun erneut ausbrechenden Debatte über das russische Geld ist vor allem, dass die USA sich unter Präsident Donald Trump aus der Unterstützung der Ukraine zurückgezogen haben. Gleichzeitig wird in EU-Kreisen aber damit gerechnet, dass die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland und bei der nötigen Aufrüstung der Armee auch nach einem Waffenstillstand etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr benötigt. Große EU-Staaten wie Frankreich oder Italien haben aber kaum finanzielle Spielräume in ihren nationalen Etats, so viel Geld kann auch nicht aus dem EU-Haushalt aufgebracht werden.
In Berlin ist deshalb die Sorge gewachsen, dass Deutschland einen Großteil der Lasten übernehmen müsste. Deutschland ist mittlerweile größter Unterstützer der Ukraine geworden. Nun hat die EU-Kommission ein kompliziertes Verfahren vorgeschlagen, wie der Ukraine mehr Geld zur Verfügung gestellt werden kann, ohne dass dies aber einer Enteignung gleichkommt und ohne dass dies auf die Defizitquoten der EU-Länder angerechnet wird.
Merz betonte, dass sich nichts an der Unterstützung für die Ukraine ändern werde. "Wir werden der Ukraine so lange in ihrem Verteidigungskampf beistehen, wie es erforderlich ist. So haben wir Europäer es beschlossen", schrieb er. Russland, das die Ukraine 2022 überfallen hatte und rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt hält, sei nicht zu Schritten Richtung Frieden bereit. "Ich bin der Überzeugung, dass es nun an der Zeit ist, dieses politische Versprechen mit einem Instrument zu unterlegen, das ein unmissverständliches Signal der Widerstandsfähigkeit nach Moskau sendet."
(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)