Bundestag beschließt neuen Wehrdienst - Musterung für junge Männer
- von Markus Wacket
Berlin, 05. Dez (Reuters) - Der Bundestag hat den Weg für eine massive Aufstockung der Bundeswehr freigemacht.
Zunächst auf freiwilliger Basis sollen mit einem attraktiveren Wehrdienst Rekruten gewonnen werden, wie das am Freitag beschlossene Gesetz vorsieht. Sollten sich aber zu wenige Freiwillige melden, kann später nach zusätzlichem Gesetzesbeschluss eine Wehrpflicht greifen. Die besonders strittige Frage, wen eine Zwangseinberufung trifft und wie sie fair gestaltet wird, soll erst dann geklärt werden. Auch ein Losverfahren kann im Falle der sogenannten Bedarfswehrpflicht zum Zuge kommen. Der Bundesrat muss dem Vorhaben noch zustimmen. Das Gesetz soll ab Januar 2026 greifen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach von einem entscheidenden Schritt für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Um das Gesetz sei gestritten worden, man habe es sich nicht leicht gemacht, räumte der SPD-Politiker ein. Die Diskussion sei aber nötig. Der Dienst solle zunächst freiwillig sein. Klar sei aber auch: "Wenn es nicht reicht, werden wir um eine Teil-Wehrpflicht nicht umhinkommen", betonte Pistorius. Mit Blick auf den Widerstand etwa bei den Linken sagte er, die Bundeswehr schütze auch die, die sie nicht ausrüsten wollten. Es gehe um die Verteidigung der Demokratie und des Staates. "Das müssen Menschen tun, die bereit sind, für ihn einzutreten und nicht die, die hinter dem Gartenzaun stehen und darauf warten, dass andere das machen."
Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen verwies auf die Zeitenwende: "Wir müssen uns wieder verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen." Die Zeit des selbstverständlichen Friedens sei vorbei. "Dafür brauchen wir Aufrüstung und deutlich mehr Soldaten, als wir heute haben." Wenn man die Menschen nicht gewinnen könne, "dann ist alles nichts". Die Opposition lehnte das Gesetz ab. Die Grünen bemängelten, dass zivile Dienste im Vorhaben kaum Berücksichtigung finden. Zudem konzentriere es sich fast ausschließlich auf die junge Generation. Die Linken lehnten jegliche Form von Zwang ab. Die AfD will die Wehrpflicht wieder einführen. Die Koalition aus Union und SPD beschloss nahezu geschlossen das Gesetz in namentlicher Abstimmung gegen die Opposition.
GESETZ LEGT JÄHRLICH AUFWUCHSZAHLEN FEST
Ziel des Gesetzes ist, dass die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 von 183.000 auf 255.000 bis 270.000 steigt. Dazu sollen 200.000 Reservisten kommen. Derzeit könnte von ihnen etwa die Hälfte zur Verfügung stehen. Das Gesetz legt Zielkorridore für den Personalzuwachs fest und unterscheidet zudem zwischen aktiver Truppe und Freiwilligen. 2026 soll beispielsweise die aktive Truppe 186.000 bis 190.000 Soldaten betragen, die Zahl der Reservisten dann 70.000 bis 80.000. Dies steigert sich jährlich bis 2035, dann müssen 255.000 bis 270.000 aktive Soldaten bereitstehen. Mindestens 200.000 Reservisten sollen es bereits ab 2033 sein.
Reservisten sollen vor allem über die Freiwilligen gewonnen werden, die kurzzeitig dienen. Sie müssen zwischen sechs und elf Monate bei der Bundeswehr sein, was für den Heimatschutz und Wachaufgaben ausreicht. Die aktive Truppe ist direkt kampfbereit und muss länger ausgebildet werden. Das Verteidigungsministerium muss dem Parlament aufgeschlüsselt die Zahlen der Freiwilligen ab 2027 alle sechs Monate vorlegen.
Reichen sie nicht aus, kann per Bundestagsbeschluss die sogenannte Bedarfswehrpflicht ausgerufen werden. Dann ist auch eine zwangsweise Musterung und Einberufung möglich. Die Details dazu sollen in einem Extra-Gesetz ausgearbeitet werden.
Das neue Gesetz sieht zunächst die Wiedereinführung der Wehrerfassung vor. Alle 18-Jährigen erhalten einen Fragebogen zu Motivation und Eignung, dessen Beantwortung für Männer verpflichtend ist. Ebenso wird die Musterung für alle Männer, die ab Januar 2008 geboren wurden, wieder zur Pflicht. Um möglichst viele für einen freiwilligen Dienst zu gewinnen, sind Anreize wie eine monatliche Vergütung von rund 2600 Euro brutto und ein Zuschuss zum Führerschein vorgesehen. Bereits mit dem Anschreiben soll bei jungen Menschen auch etwa für soziale Freiwilligendienste geworben werden.
In einem ersten Anlauf der Koalition im Oktober kam es in der SPD-Fraktion noch zum Eklat, da Teile der Fraktion und auch Verteidigungsminister Pistorius selbst das Konzept einer Arbeitsgruppe aus Union und Sozialdemokraten abgelehnt hatten. Strittig war besonders die Frage, wie zwangsweise ausgewählt wird, wenn sich nicht genug Freiwillige für die Vergrößerung der Bundeswehr finden. Die frühere Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt.
(Bericht von Markus Wacket; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)




