Markt-Update: Europäische Börsen im Abwärtssog - Inflationsentwicklung in Großbritannien facht Sorgen an - ArcelorMittal mit deutlichen Verlusten, Flatexdegiro-Talfahrt setzt sich fort

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Mit deutlichen Verlusten haben die europäischen Börsen ihre Erholungsansätze vom Vortag am Mittwoch ad acta gelegt. Die guten Vorgaben der Wall Street verblassten angesichts sinkender US-Futures. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 sank am Mittag um 1,84 Prozent auf 3429,76 Punkte. Nicht besser sah es beim französischen Cac 40 aus, der um 1,7 Prozent auf 5862,99 Punkte fiel. Der britische FTSE 100 büßte 1,36 Prozent auf 7054,80 Zähler ein. Der deutsche Leitindex Dax büßte 2,16 Prozent 13 005,37 Punkte ein, der MDax der mittelgroßen Werte gab um 2,22 Prozent auf 26 900,86 Zähler nach.

Euro Stoxx Jahrestief rückt wieder in den Fokus

Damit hat sich die Lage merklich eingetrübt. Die Hoffnung ruht nun auf den zahlreichen charttechnischen Unterstützungen, denen sich der EuroStoxx 50 nähert. "Das bisherige Jahrestief vom März bei 3387 Punkten definiert den Auftakt zu einer ganzen Reihe von markanten Unterstützungen", so der technische Analyst Jörg Scherer von HSBC. "Neben dem langfristigen Durchschnitt der letzten 200 Monate - aktuell bei 3258 Punkten - ist in diesem Zusammenhang beispielsweise der ehemalige Abwärtstrend seit Beginn des Jahrtausends bei aktuell 3139 Punkten zu nennen."

Inflationsdaten aus Großbritannien machen Sorgen

Neue Inflationsdaten verdüsterten die Stimmung an den Märkten, wie Analystin Sophie Lund-Yates von der Investmentgesellschaft Hargreaves Landsdown feststellte. Im Mai hatten sich die Verbraucherpreise in Großbritannien gegenüber dem Vorjahresmonat um 9,1 Prozent erhöht. Das war die höchste Rate seit Beginn der Erfassung im Jahr 1997. Derartige Daten heizen nach Ansicht der Analystin Befürchtungen an, die Notenbanken könnten bei der Bekämpfung der Teuerung noch aggressiver vorgehen. Die Folgen liegen auf der Hand. "Es fehlen weiter die Argumente für Aktienkäufe selbst auf dem jetzt vermeintlich niedrigen Niveau", begründete Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets die Zurückhaltung der Investoren.

Besondere Beachtung dürfte an diesem Tag die Rede von Fed-Chef Jerome Powell vor dem Bankenausschuss des Senats finden. Sie folgt auf die am vergangenen Mittwoch ausgesprochene, höchste Leitzinsanhebung in den USA seit 1994. Laut den Experten der Helaba hatte der Zinsschritt deutlich gemacht, dass die US-Notenbank (Fed) "entschieden gegen die hohe Inflation vorgehen wird". Die Situation am US-Arbeitsmarkt ermögliche ein aggressives Vorgehen, was Powell daher bei der Anhörung wohl wiederholen werde.

Öl- und Rohstoffwerte leiden

An der Spitze der Verlierer standen die Öl- und Rohstoffwerte. "Die Konjunktursorgen sind nicht nur am Aktienmarkt, sondern auch deutlich am fallenden Ölpreis abzulesen", merkte Molnar dazu an. Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank verwies zudem auf das anstehende Treffen von Vertretern der US-Ölindustrie mit US-Präsident Biden. "Biden hatte die Raffinerien in der letzten Woche öffentlich scharf kritisiert und ihnen vorgeworfen, zu wenig Benzin zu produzieren und durch die rekordhohen Verarbeitungsmargen Gewinne auf Kosten der Autofahrer einzustreichen", so Fritsch. "Offenbar geht eine Reihe von Marktteilnehmern davon aus, dass sich die Ölindustrie gefügig zeigen und das Benzinangebot deutlich ausweiten wird."

ArcelorMittal mit deutlichen Verlusten

Stahlwerte litten zudem unter kritischen Analystenstimmen. Unter Druck standen hier ArcelorMittal mit 7,2 Prozent Abschlag. Die US-Bank JPMorgan hatte die Aktie von "Overweight" auf "Neutral" abgestuft und das Kursziel von 48 auf 32,50 Euro gesenkt. In der Stahlbranche sei Vorsicht angesagt, schrieb Analyst Luke Nelson. Preise und Profitabilität seien deutlich gesunken, die Lagerbestände in Europa und China hoch und die Wirtschaftsaussichten mau.

Umicore mit Kurseinbruch

Verluste verzeichneten auch konjunkturabhängige Sektoren wie Auto und Chemie. Einen Kurseinbruch erlitten dabei Aktien des Materialtechnologie- und Recyclingkonzerns Umicore. Die Belgier hatten sich im Vorfeld ihres Kapitalmarkttages ambitionierte Ziele gesetzt und massive Investitionen angekündigt. Laut Jefferies-Experte Charlie Bentley liegen sie in den kommenden fünf Jahren um 40 Prozent über den Markterwartungen. Damit werde Fremdkapitalbedarf immer wahrscheinlicher.

Flatexdegiro-Talfahrt hält an

Um fast 9 Prozent abwärts ging es zudem für Flatexdegiro . Tags zuvor hatte der Online-Broker über einen erwarteten Rückgang der Kunden-Aktivität in diesem Jahr informiert. Mit dem aktuellen Kursniveau von etwas über 9 Euro waren die Anleger letztmals im Sommer 2020 konfrontiert. Vor einem Jahr noch wurden die Papiere als Profiteur der zu diesem Zeitpunkt gut laufenden Börsen nahe 30 Euro gehandelt.

Defensive Titel gefragt

Defensive Sektoren wie Telekommunikation, Nahrungsmittel und Pharma hielten sich dagegen besser. Orange verzeichnete sogar leichte Gewinne, nachdem Barclays die Einstufung der Aktie des Mobilfunkunternehmens von "Underweight" auf "Equal Weight" erhöht hatte. Auch Aktien des Nahrungsmittelkonzerns Nestle erwiesen sich als Fels in der Brandung und kletterten um 1,4 Prozent, was den Sektor Lebensmittelhersteller leicht steigen ließ.

onvista/dpa-AFX

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