Gegen diese deutschen Unternehmen wetten die Leerverkäufer
Wenn Leerverkäufer ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. Diese Analyse zeigt, wo die Investoren an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Porsche, Covestro, Fraport und Evotec.
Dieser Text ist ein Artikel aus dem digitalen Finanzmagazin The Market NZZ.
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Die Leerverkäufer scheinen hin- und hergerissen zu sein: Noch bei der letzten Erhebung Anfang Oktober über die größten Shorts am deutschen Aktienmarkt sind die Wetten gegen die Aktien der Porsche AG massiv gesunken. Die Short-Quote des Sportwagenherstellers hatte sich von über zwölf Prozent der ausstehenden Aktien auf noch rund drei Prozent gedrittelt.
Und jetzt, vier Wochen später, haben die Leerverkäufer eine drastische Kehrtwende vollzogen. Anfang November ist fast jede fünfte Aktie von Porsche leerverkauft. Damit hat sich die Quote versechsfacht (siehe Grafik unten).
Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen sie am Markt und hoffen, sie später günstiger zurückkaufen zu können – um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufspreis als Gewinn ein. "The Market" beleuchtet regelmäßig, gegen welche deutschen Aktien die größten Short-Wetten laufen, und beruft sich dabei auf Zahlen des US-Datenanbieters S3 Partners.
Porsche mit China- und Trump-Sorgen
Vorletzte Woche enttäuschte Porsche mit schwachen Zahlen für das dritte Quartal. So ist der operative Gewinn um 27 Prozent auf rund vier Milliarden Euro eingebrochen. Vor allem in China kämpft Porsche mit starken Absatzproblemen. Anders als andere Autobauer weigert sich Porsche vehement, die Preise zu senken. Dies soll einerseits die Margen hoch halten, andererseits soll es wohl auch – koste es, was es wolle – das Premium-Image von Porsche verteidigen.
Als Porsche 2022 per Spin-off vom Mutterkonzern Volkswagen an die Börse gebracht wurde, waren die Wachstumshoffnungen in China ein großer Teil des Investment-Case. Diese wurden jedoch enttäuscht; die Nachfrage nach Luxus im Reich der Mitte hat sich bis heute nicht erholt, worunter auch Konzerne wie LVMH, Richemont und Kering leiden. Die Porsche-Aktien notieren mit 63 Euro auf einem Allzeittief.
Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist ein zusätzlicher Belastungsfaktor. Die dadurch drohenden Zölle schickten am Mittwoch zahlreiche europäische Autoaktien bergab.
Covestro – kurz vor der Übernahme
Auch bei den Aktien von Covestro ist die Ausleihquote stark gestiegen – von 3,8 auf 6,8 Prozent. Das Chemieunternehmen ist schon lange im Visier des staatlichen Ölförderers der Vereinigten Arabischen Emirate, Adnoc.
Mitte Oktober traf in Leverkusen schließlich das offizielle Übernahmeangebot ein über 62 Euro je Aktie. Seitdem bewegt sich der Kurs allerdings nur um rund 58 Euro. Der Abstand von vier Euro je Aktie erklärt ein Stück weit, warum die Short-Seller die Aktien nun stärker im Auge haben: Sie setzen darauf, dass der Deal noch platzt.
Die Annahmefrist für die Aktionäre läuft bis zum 27. November. Zwar hat Adnoc sein Angebot bereits mehrfach aufgestockt. Dennoch gibt es Zweifel – wenn auch nur leise – darüber, ob dies genug sein wird. Die Araber müssen mindestens 50 Prozent plus eine Aktie von Covestro einsammeln, damit der Deal zustande kommt.
Dass sie ihr Angebot ein weiteres Mal aufstocken, gilt als wenig wahrscheinlich. Hinzu kommen kartellrechtliche Bedenken, die die Übernahme noch zu einem späteren Zeitpunkt platzen lassen könnten, selbst wenn Adnoc die nötigen Prozenthürden überspringen sollte. Die Leerverkäufer liegen jedenfalls auf der Lauer.
Bei Sartorius entspannt sich die Lage etwas
Etwas entspannt hat sich die Lage bei Sartorius, die Aktien waren monatelang an der Spitze der Shorts im Dax. Jetzt hat sich die Ausleihquote von 7,2 auf 4,4 Prozent deutlich reduziert.
Der Laborausrüster litt bis zuletzt unter den hohen Lagerbeständen seiner Kunden, die während des Covid-Booms zu viele Ausrüstungsgegenstände gekauft hatten – was die Aktien entsprechend belastete. Die Zahlen für das dritte Quartal, die das Unternehmen vor rund drei Wochen vorlegte, zeigten erstmals eine Verbesserung der Auftragseingänge, vor allem bei Verbrauchsmaterialien.
Sonst waren die Verschiebungen in der Dax-Liste überschaubar. Von Siemens Healthineers rückten die Short-Seller teilweise etwas ab, ganz aus den Top Ten gefallen sind Continental und Qiagen. Neu reingekommen sind dafür Rheinmetall und Commerzbank.
Fraport verlangt Geduld
Am breiten Markt fällt Fraport auf. Die Short-Quote bei den Aktien des Flughafenbetreibers ist von 5,7 auf über 19 Prozent hochgeschnellt. Am Dienstag präsentierte der Konzern zwar grundsätzlich ordentliche Quartalszahlen. So ist der Umsatz im Zeitraum Juli bis September um elf Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gewachsen. Der Ebitda stieg jedoch nur um 1,2 Prozent auf 484 Millionen Euro.
Grund waren Ergebnis verbessernde Kompensationen – unter anderem für die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie bei der Konzern-Gesellschaft Fraport Greece –, die in der Vergleichsperiode im Vorjahr angefallen waren. Zudem erwartet der Fraport-Chef Stefan Schulte wegen der "hohen Gebühren an deutschen Flughäfen" in der Winterflugplanperiode in Frankfurt nur ein geringfügiges Wachstum.
ThyssenKrupp Nucera weiter unter Druck
Weiter auf dem Spitzenplatz ist ThyssenKrupp Nucera. Die Aktien der im Sommer 2023 via Spin-off an die Börse gebrachten Wasserstoffsparte von ThyssenKrupp befanden sich lange Zeit im Abwärtstrend, seit dem Sommer zeichnet sich eine Bodenbildung ab. Nucera stellt Elektrolyseanlagen her, die zur Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt werden. Das Thema gilt zwar als eine strukturelle Wachstumsgeschichte, seit mehr als zwei Jahren ist die Stimmung in der Branche jedoch gedämpft.
Und sie dürfte sich mit Trump als neuem US-Präsidenten weiter verschlechtern. Wegen der Wahl des Republikaners wird befürchtet, dass laufende Bestrebungen um regenerative Energien zurückgefahren werden. "Grüne" Aktien wie Nordex, Vestas und First Solar wurden am Mittwoch stark abgestraft. Auch jene von ThyssenKrupp Nucera verzeichneten Verluste.
Evotec neu in den Top Ten
Neu in den Top Ten sind die Aktien von Evotec, wobei es überrascht, dass die Titel erst jetzt in der Rangliste auftauchen. Bereits Anfang Jahr schockte der abrupte Abgang des CEO Werner Lanthaler beim Auftragsforscher die Börse. Vage Aussagen im Frühling über den zukünftigen Geschäftsverlauf sorgten zusätzlich für Verunsicherung und schickten die Aktien endgültig auf Talfahrt. Doch groß eingestiegen sind die Leerverkäufer erst im Oktober.
Während die Spekulanten die monatelangen Kursverluste zuvor zu großen Teilen verpasst hatten, haben sie zumindest jetzt einen guten Riecher gehabt. Seit Mitte Oktober hatten sich die Aktien schrittweise erholt – bis am gestrigen Mittwoch der große Rücksetzer folgte. Evotec meldete im dritten Quartal einen höheren Verlust als erwartet.
Das Geschäftsmodell, im Auftrag von Pharmakonzernen und Stiftungen Medikamente zu entwickeln, bleibt attraktiv. Das Unternehmen hat aber noch einen langen Weg vor sich. Das Transformationsprogramm "Priority Reset" soll ab dem zweiten Halbjahr zu einer Verbesserung des bereinigten Ebitda führen. Im Rahmen des Programms will Evotec ab 2024 jährlich über 40 Millionen Euro einsparen, um langfristig wieder in die Gewinnzone zu gelangen.
Neu in den Top Ten der am meisten leerverkauften Aktien sind zudem Baywa und das Dax-Mitglied Porsche. Verabschiedet haben sich dagegen Morphosys, Nagarro, Deutsche Pfandbriefbank und HelloFresh.
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