Alles, was du zur wichtigsten Zinssitzung des Jahres wissen musst
Maximilian Nagel

Am heutigen Mittwochabend entscheiden die Notenbanker der amerikanischen Federal Reserve (Fed) über den wohl wichtigsten Leitzins der Welt – auf der wohl wichtigsten Sitzung dieses Jahres.
Das Wichtigste vorweg: Die Fed dürfte die Leitzinsen von 4,25 bis 4,50 Prozent auf 4,00 bis 4,25 Prozent senken. Das erwartet der Markt mit einer überwältigenden Mehrheit, und auch die Zinshüter unter Fed-Chef Jerome Powell deuteten diese Senkung vorab an.
Warum senkt die Fed die Zinsen?
Über die Leitzinsen, die sogenannten Federal Funds Rates, steuert die Fed die US-Geldpolitik. Bei hoher Inflation hebt sie die Zinsen, um den Konsum und damit den Preisauftrieb zu drücken.
Seit geraumer Zeit sinkt die Inflation in den USA, aber weniger stark als in anderen Regionen. Deshalb zögerte die Fed mit Senkungen. Zuletzt hatten die US-Notenbanker die Zinsen im vergangenen Dezember auf das jetzige Niveau gesenkt. Wie üblich ging es dabei um 25 Basispunkte, das sind 0,25-Prozentpunkte, nach unten.
Neben dem schwächeren Preisdruck spricht auch die Lage am US-Arbeitsmarkt für eine Senkung. Die Fed hat ein sogenanntes Doppelmandat. Mit ihrer Geldpolitik soll sie die Inflation steuern, gleichzeitig aber auch eine die maximal mögliche Erwerbsbeschäftigung in den USA erzielen.
Die Beschäftigungsentwicklung war in den vergangenen beiden Monaten in den USA jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zudem wurden die Zahlen für die Vormonate sehr deutlich nach unten revidiert.
"Für eine Zinssenkung sprechen insbesondere die schwachen Arbeitsmarktdaten und der geringe Stellenaufbau", kommentierte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. "Sie werfen ein trübes Licht auf die aktuelle Lage der US-Wirtschaft."
Warum ist diese Zinssitzung so wichtig?
Hauptsächlich, weil die Fed sich aktuell so lange Zeit lässt, obwohl die Inflation mit aktuell 2,9 Prozent bereits erheblich unter dem Zinsniveau liegt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen nach der Hochinflations-Phase 2022 bis 2023 deutlich zügiger gesenkt als die Fed, wie die Grafik zeigt.
Das allein rechtfertigt natürlich nicht, dass die Fed auch die Zinsen senken muss. Die Inflation im Euroraum rangiert mit 2,1 Prozent klar unter den US-Lesungen. Trotzdem mehren sich deshalb Rufe, dass die Fed vielleicht etwas zu lange zögert. Schon auf den massiven Anstieg der Teuerung während der Pandemie hatte die Fed erst zeitverzögert reagiert.
Wichtig ist diese Sitzung nicht nur wegen der erwarteten Senkung selbst. Sowohl Ökonomen als auch Anleger in den USA dürften gespannt sein, welchen Ausblick die Fed für das restliche Jahr gibt – und ob Fed-Chef Powell standhaft gegenüber US-Präsident Donald Trump bleibt.
Was hat Trump damit zu tun?
Trump nämlich fordert praktisch seit seinem erneuten Amtsantritt niedrigere Zinsen. Sein Argument: Die Inflation sei (genug) gebändigt, jetzt brauche es günstigere Finanzierungsbedingungen für US-Firmen und amerikanische Haushalte.
Bei seinen Attacken ging Trump Powell direkt an, und verspottete ihn als „Verlierer“ oder „Mr Zu Spät“. Dabei ist es Trump selbst, der die Fed erst in diesen abwartenden Kurs zwang. Trumps Zölle nämlich entfachten Ängste um eine wiederkehrende Inflation, da Einfuhrgebühren meist von Importeuren an die Kunden weitergereicht werden, und sich Waren dadurch verteuern.

Weil Powell angesichts der Zölle von weiteren Zinssenkungen absah, versuchte Trump ebenso, die Geldpolitik über den Austausch von Fed-Mitgliedern zu beinflussen. Zuletzt erlitt der Republikaner im Streit um die Entlassung der Fed-Vorständin Lisa Cook aber einen juristischen Rückschlag.
Mit dem Einzug seines Beraters Stephen Miran als temporäres Mitglied im mächtigen Vorstand der Notenbank platzierte Trump trotzdem einen seiner Anhänger. Diese Personalpolitik dürfte sich fortsetzen und sich laut Ökonomen auch längerfristig auf die Geldpolitik auswirken.
"Sollte Trump die Fed erfolgreich an die Leine legen, wäre das wohl eine Zeitenwende", kommentierten die Volkswirte der Commerzbank. "Schließlich war die Unabhängigkeit der Fed - also ihr Recht, die ihr vom Kongress gesetzten Ziele durch den ihr am besten erscheinenden Einsatz ihrer geldpolitischen Instrumente zu verfolgen - über Jahrzehnte ein Grundpfeiler des globalen Finanzsystems."
Was bedeuten niedrigere Zinsen für die Börse?
Grundsätzlich profitieren Aktien von niedrigeren Zinsen. Anleihen rentieren bei niedrigen Zinsen niedriger, ebenso wie Sparkonten, da Banken die Zinssenkungen an Sparer durchreichen. Darüber hinaus wirken sich niedrige Zinsen an unzähligen Stellen auf die Wirtschaft aus – Unternehmen können Investitionen günstiger finanzieren, Immobilien- und Konsumkredite für Haushalte verbilligen sich ebenso.
Weil die USA die weltgrößte Volkswirtschaft ist, und der US-Konsument zahllose Güter und Dienstleistungen, auch aus dem Ausland, direkt und indirekt nachfragt, wirken Zinssenkungen in den USA weit über die Landesgrenzen hinweg.
In der Bewertung von Aktien spielen Zinsen ebenso eine Rolle: Je niedriger sie sind, umso größer ist der Gegenwartswert künftiger Zahlungsströme, so auch die eines Unternehmens. Niedrigere Zinsen rechtfertigen also höhere Bewertungen von Firmen, was deren Aktienkursen Auftrieb geben kann.
Was, wenn die Fed die Zinsen nicht senkt?
Weil allgemeinhin fest mit der Zinssenkung am Mittwochabend (deutscher Zeit) gerechnet wird, wäre es eine enorme Überraschung, wenn die Fed doch untätig bliebe. Die Wahrscheinlichkeit gleichbleibender Zinsen liegt laut dem Prognosetool Fedwatch der Chicagoer Terminbörse CME bei null Prozent – die Chance eines 25-Basispunkte-Schritts bei 94 Prozent, zu sechs Prozent preist der Markt sogar eine 50-Basispunkte-Senkung ein.
Auf dem Prognosemarkt Polymarket räumen die Akteure gleichbleibenden Zinsen ebenso mikroskopische Chancen ein. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios liegt dort bei nur zwei Prozent, für die erwartete Senkung um 25 Basispunkte wiederum bei 91 Prozent.
Umso turbulenter dürfte der Markt reagieren, wenn Powell nicht an der Zinsschraube dreht – vermutlich mit einem ruckartigen Abverkauf. Verwerfungen an den Anleihenmärkten wäre ebenso die Folge.
Ein historisches Beispiel dafür liefert das sogenannte „taper tantrum“, ein „Tobsuchtsanfall“ der Märkte im Mai 2013 auf den Vorschlag des damaligen Fed-Chefs Ben Bernanke, die Anleihenkäufe der Fed zu drosseln.
Seit diesem Vorfall bemüht sich die Fed, den Markt Wochen im voraus auf etwaige Kursänderungen in der Geldpolitik mit entsprechenden Signalen vorzubereiten. Schon allein deshalb ist es eben wenig wahrscheinlich, dass die Fed heute abend nicht zur Tat schreitet.
(mit Material von dpa-AFX)