Vier Antworten zur Schuldenkrise in Großbritannien
Die Renditen 30-jähriger britischer Staatsanleihen erreichen zu Wochenbeginn das höchste Niveau seit 1998, das Land erlebt eine Schuldenkrise. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.
Georg Buschmann
Henry Philippson

Händler trennen sich heute erneut von lang laufenden britischen Staatsanleihen. Die Renditen für 30-jährige britische Staatsanleihen steigen entsprechend weiter um gut fünf Basispunkte auf 5,691 Prozent - den höchsten Stand seit 1998. Das schickt nach ein paar eher ruhigen Sommerwochen heute eine kleine Schockwelle durch die Finanzmärkte. Wir erklären, was es mit dem Renditeanstieg auf sich hat.
Wieso steigen die Renditen so stark?
Hauptgrund für die anziehenden Renditen sind wachsende Sorgen um die Verschuldung des Landes. Die Kreditkosten des Vereinigten Königreichs sind die höchsten unter den G7-Staaten. Der Chart unten zeigt die Beschleunigung der britischen Staatsverschuldung mit Ausbruch der Coronakrise im Jahr 2020. Seitdem stieg die Verschuldung stetig an.
In etwa zwei Monaten wird der Staatshaushalt vorgestellt. Nach aktuellen Schätzungen sieht sich Finanzministerin Rachel Reeves mit einem geschätzten Finanzloch von bis zu 51 Milliarden Pfund konfrontiert.
Höhere Renditen werden die Kosten für den Schuldendienst der Regierung weiter erhöhen und das Problem verschärfen. Beobachter sagen, die Regierung müsse Vertrauen zurückgewinnen und glaubwürdige, strukturelle Veränderungen vornehmen.
Ludovic Subran, der Chefökonom der Allianz, nannte die Situation beim Finanznachrichten-Portal Bloomberg "sehr gefährlich". Er forderte, dass die britische Notenbank klar signalisiert, dass sie die Inflation im Blick behält – und dass die britische Regierung die Ausgaben in den Fokus nimmt und so das Vertrauen der Investoren stärkt.
Steigen die Renditen nur in Großbritannien?
Das Problem der steigenden Staatsverschuldung betrifft allerdings auch andere europäische Länder. Die Grafik zeigt, wie viel Rendite mit der Top-Bonitätsnote "AAA" bewertete Staatsanleihen der Eurozone im Zeitverlauf gebracht haben. Mit 3,4 Prozent liegt der Wert auf dem höchsten Niveau seit 2011.
Damals war die europäische Staatsschuldenkrise noch akut, ehe der ehemalige Chef der Europäischen Notenbank, Mario Draghi, mit seinem Versprechen, den Euro zu retten ("whatever it takes") im Sommer 2012 die Märkte beruhigte.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch beim Blick auf einzelne Länder. Sowohl deutsche als auch französische Staatsanleihen verlieren heute kräftig im Kurs. Spiegelbildlich ziehen die Renditen an und erreichen mit 3,4 beziehungsweise 4,5 Prozent ebenfalls neue Höchststände seit 2011.
Was unterscheidet Großbritannien vom Rest Europas?
Das besondere Problem in Großbritannien: Die Inflation zog hier in den vergangenen Monaten wieder signifikant an und liegt wieder knapp unterhalb der vier Prozent-Marke. Die Bank of England (BoE) hat allerdings seit Jahresbeginn den Leitzins in mittlerweile drei Schritten von 4,75 auf nunmehr 4,00 Prozent gesenkt.
Ein entschlossener Kampf gegen Inflation sieht anders aus. Möglicherweise blieb der BoE vor dem Hintergrund der ausufernden Staatsverschuldung auch wenig anderes übrig als die Zinsen zu senken.
Anziehende Inflation und eine Londoner Regierung, die weiterhin hohe Defizite einfährt - das gefällt den Anleihehändlern überhaupt nicht. Entsprechend werden langfristige britische Staatsanleihen seit Monaten abgestoßen, was zum aktuellen Zinsanstieg führt.
Wie geht es weiter?
Die Lösung für könnten ironischerweise höhere Zinsen sein. Die langfristigen Renditen würden sinken, wenn die Bank of England die Zinsen anheben würde, da der Anleihemarkt mit einer starken Konjunkturabkühlung, höherer Arbeitslosigkeit und schließlich einer niedrigeren Inflation rechnen würde.
Das würde dann allerdings auch eine Rezession bedeuten. Darum dürfte Großbritannien in Anbetracht der Tatsachen wohl nicht herumkommen. Keine guten Aussichten für den Rest des Jahres.


