Hoher Ölpreis = hoher Spritpreis – Tanktourismus nimmt deutlich zu – Wo ist Benzin billiger und weitere wichtige Antworten zum Thema

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die hohen Spritpreise lassen immer mehr Menschen zum Tanken über die Grenze fahren. Der Tanktourismus nehme in letzter Zeit wieder deutlich zu, hieß es am Dienstag vom Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG). Und immer mehr Kunden nähmen auch längere Fahrten auf sich.

Beim Verband spricht man dabei von einem „Benzinpreis-Paradoxon“, denn eigentlich bleiben die Unterschiede an den Grenzen auch bei höheren Spritpreisen relativ ähnlich. Der steigende Ölpreis, der das Tanken derzeit verteuert, macht sich ja auf beiden Seiten der Grenzen bemerkbar, die Unterschiede gehen in der Regel vor allem auf Steuern und Abgaben zurück. Dass dennoch mehr Menschen die längeren Fahrten auf sich nähmen, liege daran, dass die Preisempfindlichkeit der Menschen zunehme, heißt es vom ZTG. Das sei auch im Inland zwischen günstigen und teuren Tankstellen zu beobachten.

Doch nicht immer lohnt der Tanktourismus – auch weil die Fahrt über die Grenze durch die hohen Spritpreise ja teurer werde. Zudem müsse man auch andere Kosten wie die Abnutzung bedenken, die die Ersparnis an der Zapfsäule schnell auffressen. „Wenn sich viele Leute darüber beschweren, dass sie mit den 30 Cent Kilometerpauschale ihres Arbeitgebers nicht auskommen, dann dürfen sie nicht gleichzeitig zum Tanken ins Ausland fahren“, heißt es vom ZTG. „Denn dann rechnet sich das nie.“

Nicht an allen deutschen Grenzen gibt es deutliche Preisunterschiede. Zudem können diese je nach Region, Tankstelle und Uhrzeit schwanken. Klar billiger ist Kraftstoff nach Daten der Verkehrsclubs ADAC und AvD aber unter anderem in Polen, Tschechien, Österreich und Luxemburg. Deutlich teurer als in Deutschland ist der Sprit dagegen in den Niederlanden. Ein zunehmender Tanktourismus von dort ist allerdings laut ZTG derzeit nicht zu beobachten.

In Bayern beobachtet Florian Hördegen vom ADAC Südbayern dagegen eine Zunahme des Tanktourismus nach Österreich und Tschechien. Seit vergangener Woche habe das Thema wieder an Schwung gewonnen. Jenseits der Grenze sehe man teils Schlangen an den Tankstellen, sagt er.

Mittelstandsverband fordert sofortige Senkung der Mineralölsteuer

Der Mittelstand fordert angesichts der hohen Spritpreise umgehende Entlastung für Wirtschaft und Verbraucher. „Aus Sicht des Mittelstands sollte die Mineralölsteuer temporär gesenkt und die Pendlerpauschale spürbar erhöht werden“, sagte der Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Hans-Jürgen Völz, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstag). „Die Preisexplosion bei Treibstoffen stellt eine massive Belastung der Wirtschaft dar, die Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand gefährdet“, sagte Völz. „So droht die Corona-Krise zum Jahresende, nahtlos von einer veritablen Wirtschaftskrise abgelöst zu werden, während sich um uns herum andere Staaten Europas wirtschaftlich erholen.“

Mittelstands-Ökonom Völz sorgt sich auch davor, dass Gewerkschaften höhere Tarifabschlüsse durchsetzen könnten. „Schon jetzt ist erkennbar, dass zeitverzögert an die Verbraucher weitergegebene Mehrkosten für Transport, Heizen und Material zu höheren Lohnforderungen führen werden“, sagte er. „Die Lohn-Preis-Spirale jedenfalls ist schon in Gang gesetzt.“ Währungshüter sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Zweitrundeneffekt“: Wenn steigende Inflation zu höheren Tarifabschlüssen und damit Lohnkosten führt, kann dies wiederum die Teuerung anheizen.

WICHTE ANTWORTEN ZUM THEMA SPRITPREIS

Diesel ist an der Zapfsäule so teuer wie noch nie, Superbenzin nähert sich seinem Allzeithoch. Doch wie kommen die Spritpreise zustande, welche Rolle spielt der CO2-Preis und kostet der Sprit jetzt bald 2 Euro? Antworten auf zentrale Fragen.

WARUM WIRD SPRIT DERZEIT IMMER TEURER?

Die Ursache liegt vor allem im steigenden Erdölpreis. Binnen eines Jahres hat er sich in etwa verdoppelt und erreichte am Montag mehrjährige Höchststände. Die für Europa wichtige Sorte Brent lag bei Werten um 86 Dollar pro Barrel (159 Liter). Der langfristige Anstieg beim Öl liegt an der weltweiten wirtschaftlichen Erholung nach Corona. Seit einigen Wochen gibt es zudem Sorgen vor einem Angebotsdefizit. Bei Diesel gibt es zudem eine saisonale Komponente, da im Herbst typischerweise auch die Nachfrage nach dem sehr ähnlichen Heizöl anzieht.

WIE SETZT SICH DER SPRITPREIS ZUSAMMEN?

Ein großer Teil des Spritpreises sind Steuern und Abgaben. Die Energie- beziehungsweise Mineralölsteuer macht bei Superbenzin 65,45 Cent pro Liter aus, bei Diesel sind es 47,07 Cent. Dazu kommt die Mehrwertsteuer – beim aktuellen Preisniveau sind das knapp 27 Cent bei Super E10 und rund 25 Cent bei Diesel.

Der seit Jahresbeginn anfallende CO2-Preis sorgt für zusätzliche Kosten. Je nachdem, wie hoch der Biospritanteil ist, sind das – noch ohne Mehrwertsteuer – gut 5 Cent bei Super E10 und gut 6 Cent bei Diesel. Der Rest teilt sich auf in den Preis für Rohöl und Kosten für die Weiterverarbeitung, Transport, Tankstellen sowie den Gewinn der Mineralölwirtschaft. Diese hat zuletzt aber betont, dass ihre Margen nicht gestiegen seien.

WARUM IST DIESEL BILLIGER ALS BENZIN?

Der entscheidende Faktor ist der Unterschied bei Mineralöl- beziehungsweise Energiesteuer. Inklusive Mehrwertsteuer macht das theoretisch knapp 22 Cent aus. Weil die Preise für Diesel und Superbenzin im Großhandel aber je nach Nachfrage schwanken, weicht der Preisunterschied an der Tankstelle teilweise deutlich davon ab.

KOSTET BENZIN JETZT BALD ZWEI EURO?

Das ist eher unwahrscheinlich – zumindest solange es keine zusätzlichen Preistreiber über den Ölpreis hinaus gibt. Bleibe der Wechselkurs des Dollar konstant, müsste der Ölpreis für einen durchschnittlichen E10-Preis von 2 Euro weit über 100 Dollar steigen, sagt ADAC-Experte Jürgen Albrecht. Ein solcher Anstieg sei aber unwahrscheinlich, sagt Albrecht: Die Vereinigung Opec+ habe kaum Interesse daran, die Preise noch weiter steigen zu lassen. Zudem würde dies auch die Fördermethode Fracking attraktiver machen, was die Preise durch ein dann steigendes Angebot zusätzlich bremsen würde.

Dass an einzelnen Tankstellen zu gewissen Zeiten mehr als zwei Euro pro Liter Super verlangt werden, ist damit aber nicht ausgeschlossen. Zum einen gibt es über das vom ADAC beobachtete Super E10 hinaus zahlreiche andere, in der Regel teurere Sorten. Zudem schwanken die Spritpreise je nach Uhrzeit, Region und Tankstelle teils deutlich. Am günstigsten tankt es sich typischerweise abends, am teuersten im morgendlichen Berufsverkehr.

Redaktion onvista / dpa-AFX

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