Es wird eng am Aktienmarkt

Acatis · Uhr

Was aktuell in der Geldpolitik passiert, kann man mit Fug und Recht als Gezeitenwende bezeichnen. Seit dem Abwürgen der Inflation Anfang der achtziger Jahre durch den damaligen US-Notenbankpräsidenten Paul Volcker konnten die Notenbanken der Industrieländer in jeder Krise, egal ob Börsencrash 1987, Südostasien-Russlandkrise 97/98, Platzen der Internetblase, die Terroranschläge 2000/2001, Finanzkrise 2008 und Coronakrise 2020 stets die Geldpolitik lockern und Liquidität ins System schieben. Inflation war zu keinem Zeitpunkt und schon gar nicht in den Krisenphasen ein Thema. Doch nun haben wir das erste Mal seit 40 Jahren die Situation, dass die Notenbanken in einer durch den Ukrainekrieg und wieder massiven Lockdowns in China sich abzeichnenden Krise mit der Geldpolitik nicht gegensteuern können. Sie tun sogar das Gegenteil. Zugegeben, in den USA läuft die Wirtschaft noch ziemlich rund und es herrscht Vollbeschäftigung, aber auch dort dürften durch die sich in China und Europa abkühlende Konjunktur Spuren sichtbar werden. In früheren Zeiten hätte die Federal Reserve (FED) von ihren geplanten Zinserhöhungen sofort Abstand genommen, jetzt hat sie zuletzt sogar eine Beschleunigung der Zinsanhebungen angekündigt. Die Inflation wird damit ganz offenkundig als die größere Gefahr betrachtet als eine mögliche Abkühlung der Wirtschaft.

Gefährlichster Teil der Geldpolitik beginnt ab Mai

Die geplanten Zinserhöhungen sind zwar nicht schön für Aktien, aber man weiß, dass sie erst mit einiger Zeitverzögerung durchschlagen und durch die hohe Inflation der Realzins so negativ ist wie seit 40 Jahren nicht. Das dürfte die Aktien etwas schützen. Doch die Notenbank wird nicht allein bei Zinserhöhungen bleiben, sondern nun auch mit dem zweiten Quantitativ Tightening in der Geschichte der US-Geldpolitik beginnen. So sollen ab Mai Staatsanleihen und gesicherte Immobilienanleihen aus der Bilanz der Notenbank verkauft werden in einem monatlichen Volumen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar. Hatten die massiven Anleihenkäufe extrem viel Geld in die Finanzmärkte geschwemmt und damit die Aktienkurse angetrieben, wird eine gegenteilige Politik auch das Gegenteil auslösen. Das erste Quantitativ Tightening von 2017/18 endete Ende 2018 mit massiven Aktienverlusten. Nichts anderes dürfen wir auf Dauer von dem anstehenden Programm erwarten.

Notenbanker sind oft Kontraindikatoren

Mittlerweile gehen in Person von Bill Dudley frühere US-Zentralbankmitglieder sogar so weit, dass sie fordern, Aktienverluste sogar zu provozieren, damit die Bürger einen Teil ihres Vermögens verlieren und so die Konsumnachfrage gebremst wird. Das hat es in meiner Erinnerung noch nie gegeben. Allerdings hatte der langjährige Notenbankpräsident Alan Greenspan, Nachfolger des oben genannten Paul Volcker, 1996 einst – auf die Aktien zielend – von einer „irrational exubarance“ gesprochen, also einem irrationalen Überschwang. Das setzte die Aktien damals ebenfalls unter Druck, allerdings auch nur kurz, dann gab es gleich weitere Rekorde. Notenbanker sind eben keine guten Aktienmarktprognostiker und daher könnte an der Börse wieder die Rechnung gelten: 2 × 2 gleich 5 – 1. Also es kommt so, wie es kommen muss, aber eben auf Umwegen. Es ist nämlich aufgrund der negativen Stimmung nicht unwahrscheinlich, dass die Kurse auch in einem großen Short Squeeze zunächst noch mal deutlich nach oben laufen, bevor sich dann die beschriebene Geldpolitik unwiderruflich negativ auf die Aktienkurse auswirken wird. Es gibt allerdings die berechtigte Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm kommt, wie es bei einer solchen Geldpolitik üblicherweise kommen würde, da den Anlegern selbst bei den geplanten Zinserhöhungen zur Aktie immer noch keine Alternative geboten wird, die auch nur einigermaßen attraktiv ist. Denn selbst die aggressivsten Schätzungen bezüglich zukünftiger Zinserhöhung durch die US-Notenbank bleiben weit unter der Inflationsrate, so dass festverzinsliche Anlagen weiterhin reale Geldvernichtung bedeuten.

Und dann dürfte sich wohl der eine oder andere Aktienanleger vielleicht sagen: Dann bleibe ich doch in den Aktien und hoffe auf irgendwann wieder bessere Zeiten. Ich jedenfalls werde es bei meinen langfristigen Investments so tun.

onvista Premium-Artikel

Das könnte dich auch interessieren