Interview zur Zollpolitik

"Beim Handel ist Donald Trump sehr konsistent"

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Georg Buschmann

Redaktionsleiter

Handels-Expertin Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) spricht über die Frage, was US-Präsident Donald Trump mit seiner Handelspolitik erreichen will - und wie die EU klug reagieren kann.

Quelle: lev radin/ Shutterstock

Frau Schmucker, Sie haben vor einem Monat in einem Memo geschrieben, die Zoll-Politik von US-Präsident Donald Trump sei "unberechenbar und folgt keiner Logik". Inzwischen hat Trump ein gigantisches Zollpaket auf den Weg und die Aktienmärkte weltweit zum Absturz gebracht. Bleiben Sie bei Ihrer Einschätzung?

Ja, ich bleibe dabei, dass das unberechenbar ist und keiner Logik folgt. Nehmen Sie nur das Beispiel Kanada. Gegen das Land hat Trump im März Zölle verhängt mit der Begründung, es tue zu wenig gegen illegale Migration oder den Schmuggel von Fentanyl. Das entbehrt jeder Grundlage. Auch die Berechnung der so genannten "reziproken Zölle", die Trump am 2. April verkündet hat, hat keine wirtschaftliche Grundlage. Das ist Willkür. 

Trump tut es dennoch. Was verspricht er sich denn davon?

Sein Finanzminister Scott Bessent hat drei Gründe für die Einführung der Zölle genannt: Um unfairen Praktiken im Handel zu begegnen. Um die Grundlage für Verhandlungen zu schaffen. Und um mit den Einnahmen aus den Zöllen die Haushaltsdefizite der USA zu reduzieren. Als vierten Grund könnte man noch den Schutz der amerikanischen Wirtschaft anführen. 

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Kann er das alles mit seinen Zöllen erreichen?

Was möglich ist, sind Verhandlungen. Die USA sind der wichtigste Exportmarkt der Europäischen Union (EU). Die EU ist also extrem daran interessiert, zu verhandeln. Und die Zölle können sicher auch Einnahmen für den Staat generieren. Allerdings zahlen die letztlich die amerikanischen Konsumenten, weil die Produkte sich verteuern. Aber die Industrie in die USA zurückzuholen wird nicht funktionieren. Dafür haben sie weder die Arbeitskräfte noch die Ausbildung – das sehe ich also erstmal nicht. 

Ein Punkt, den Trump immer wieder adressiert, ist das Handelsbilanzdefizit der USA - also der Unterschied zwischen den Importen in die USA und den Exporten, die die USA in andere Länder tätigt. Wieso ist ihm das so wichtig?

Gute Frage. Was auf jeden Fall auffällt: In vielen Politikbereichen springt Donald Trump, sagt heute dies und morgen das. Bei Migration und Handel ist das nicht so. Da sind seine Positionen sehr konsistent. Er sieht die Handelsbilanz der USA wie ein Geschäftsmann eine Unternehmensbilanz, nach dem Motto: Alle Importe sind schlecht und alle Exporte sind gut.

Das stimmt aber nicht. Wir brauchen zum Beispiel günstige Vorprodukte aus anderen Ländern, um daraus hochwertigere Dinge zu produzieren - Stahl für Autos zum Beispiel. Importe sind wichtig und die USA sind der größte Profiteur vom Welthandel. 

Claudia Schmucker, Leiterin des Zentrums für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
Quelle: DGAP

Zur Person: Claudia Schmucker leitet das Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Von 2002 bis 2020 war sie Leiterin des Programms Globalisierung und Weltwirtschaft. Sie studierte an der Rheinischen Friedrich-Wihelms-Universität Bonn, am Elmira College, New York und an der Yale Universität und hat einen Magister (M.A.) in Nordamerikastudien sowie einen Doktor der Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. 

Sie haben sich von einer Industriegesellschaft zur wettbewerbsfähigsten Dienstleistungsgesellschaft der Welt entwickelt; in der Dienstleistungsbilanz - die Trump immer ausklammert - haben sie auch einen Überschuss gegenüber Europa. Deswegen sind die Vertreter der US-Tech-Industrie auch gegen Handelskonflikte. 

Die USA haben eigentlich kein Interesse daran, stattdessen beispielsweise Sneaker wieder in Amerika herzustellen. Die importieren sie aktuell eben aus Ländern wie Vietnam und haben deshalb hohe Handelsbilanzdefizite mit solchen Ländern, die relativ billige Produkte herstellen. Wenn sie die selbst herstellen, kosten sie wahrscheinlich 500 Dollar. Wer soll die kaufen?

Was uns zurück zur Ausgangsfrage bringt: Wieso verfolgt Trump trotzdem seine Zollpolitik?

Trump glaubt an Zölle. Für ihn sind sie das Mittel der Wahl für alles, was er durchsetzen möchte. Trump bezieht sich dabei auch gerne auf die amerikanische Geschichte: "Im 19. Jahrhundert gab es hohe Zölle und es ging den Amerikanern gut", das ist die Denke. Er hat ein sehr komisches Geschichtsverständnis.

Wie lange kann er das durchziehen?

Bis ihn jemand stoppt. Das werden wir beispielsweise als Europäische Union nicht tun können. Wir sind schließlich in Trumps Welt unfair und haben die USA schon immer ausgenutzt. Disziplinieren könnten ihn vielleicht die Finanzmärkte, die ja schon kräftig korrigiert haben. 

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Jetzt kommen auch größere Gegenbewegungen, Demonstrationen auf der Straße. Und die Republikaner - die ja mal die Partei des Freihandels waren - beginnen zu wackeln in ihrer Unterstützung, weil sie Angst vor den Midterm-Wahlen im nächsten Jahr haben, wenn die Wirtschaft schlecht da steht und die Inflation wegen der Zölle steigt. 

Trump hat in seiner politischen Karriere unzählige Proteste dieser Art und Skandale überstanden. Wieso sollte das diesmal anders sein? 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er bereit ist, aus dem Amt zu gehen. Aber: Seine Zustimmungswerte sind schon nach nicht einmal drei Monaten sehr, sehr niedrig und zwingen ihn vielleicht dazu, seine Politik zu ändern. Aber klar: Es kann auch sein, dass er bei seiner Strategie bleibt. 

Politikwechsel hin oder her: Das Vertrauen in die USA hat der Präsident gründlich beschädigt. Wie schnell kann man es wieder aufbauen?

Das stimmt, es braucht Jahre und Jahrzehnte, um Vertrauen aufzubauen, aber zerstören geht ganz schnell. Die anderen Länder haben gelernt, dass die USA im Zweifel innerhalb von Monaten die ganze Handels- und im Übrigen auch Sicherheitsordnung der Welt über den Haufen werfen können. Sie orientieren sich nun um und das wird weiter anhalten - auch wenn Trump seine Zölle wieder zurücknimmt. Die Soft Power der USA ist weg. Und selbst wenn Trump die Zölle wieder zurücknimmt, kann er sie sofort wieder einführen. Die Unsicherheit bleibt bestehen. 

Wie könnte die EU darauf gut reagieren?

Erstens müssen wir insgesamt unabhängiger werden, etwa indem wir unseren Binnenmarkt stärkt. Andere EU-Staaten sind noch immer unsere wichtigsten Handelspartner, erst dann kommen die USA. Je stärker wir ein Binnenmarkt werden, desto weniger sind wir abhängig von den USA und auch von China. 

Zweitens müssen wir unsere Handelsbeziehungen diversifizieren: Die Länder stehen derzeit Schlange, um mit Europa zu verhandeln. Je mehr Handelspartner wir haben, desto weniger anfällig sind wir für die Zölle einzelner Partner.

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Und drittens müssen wir den USA klar machen, dass wir die Zölle nicht hinnehmen. Wir müssen die USA vor der World Trade Organization (WTO) verklagen. An Gegenzöllen haben wir zwar kein Interesse, aber gezielte Maßnahmen wie die Zölle auf Motorräder oder Orangen und andere Agrarerzeugnisse sind dennoch sinnvoll. Denn diese Waren sind relativ leicht verzicht- oder ersetzbar und treffen gleichzeitig vor allem US-Exporteure aus republikanisch geprägten Gegenden - Menschen also, die für Trump gestimmt haben. 

Wie würden Sie bisher die Reaktion der EU auf die US-Zölle bewerten?

Sie macht das sehr gut. Erstmal abzuwarten und Verhandlungen anzubieten, war genau richtig. Denn so hat Trump keine Möglichkeit, den Börsencrash auf die Gegenzölle der EU zu schieben. Jeder sieht, dass es seine Politik war, die ihn ausgelöst hat. Deswegen war das Abwarten so wichtig. Wenn nun länger keine Einigung zustande kommt, kann die EU immer noch gezielt und hart reagieren.

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