EZB-Vertreter sehen anhaltenden Euro-Höhenflug mit Sorge

(Reuters) - Spitzenvertreter der EZB warnen vor negativen Folgen eines weiter steigenden Euro-Wechselkurses auf die Wirtschaft. Laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos kann die Zentralbank zwar über einen Anstieg des Euro gegenüber der US-Währung bis auf 1,20 Dollar weitgehend hinwegsehen. "Darüber hinaus wird es viel komplizierter", warnte der Spanier bei Bloomberg TV. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde am Dienstag bei über 1,18 Dollar gehandelt - das höchste Niveau seit Herbst 2021. Noch Anfang des Jahres lag der Euro bei 1,02 Dollar.
Der Hintergrund für die gestiegene Attraktivität des Euro in den Augen der Anleger ist die Verunsicherung, die durch die von Kritikern als erratisch empfundene Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump hervorgerufen wurde. Eine starke Währung verteuert Exporte und verbilligt zugleich Importe, was tendenziell das Wachstum dämpft und die Inflation drückt.
US-Zölle bringen Risiko einer weiteren Aufwertung mit sich
Die Europäische Union ist einem Medienbericht zufolge offen für ein Handelsabkommen mit den USA, das einen allgemeinen Zoll von zehn Prozent auf viele ihrer Exporte vorsehen würde. Ein Zoll von zehn Prozent und eine Aufwertung des Wechselkurses von über zehn Prozent drohten, die Exportdynamik zu beeinflussen, sagte der Chef der lettischen Zentralbank, Martins Kazaks, auf dem EZB-Notenbankenforum im portugiesischen Sintra zu Reuters.
Sein estnischer Kollege Madis Müller sieht jedoch noch keinen Grund, die Alarmglocken zu läuten. Der Euro-Wechselkurs gegenüber dem Dollar liege klar innerhalb seiner historischen Spanne: "Die Aufwertung in diesem Jahr war zwar schnell, aber wir befinden uns nicht auf einem Niveau, das mir besondere Sorgen bereitet."
EZB steuert voraussichtlich auf eine Zinspause zu
EZB-Chefin Christine Lagarde sieht die Konjunkturaussichten in der Euro-Zone auch mit Blick auf den weiter schwelenden Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten auf kurze Sicht eingetrübt. "Höhere Zölle und ein stärkerer Euro dürften die Exporte dämpfen, und die hohe Unsicherheit verzögert Investitionsentscheidungen", sagte die Französin jüngst vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments. Der Einlagensatz, mit dem die EZB ihren geldpolitischen Kurs steuert, wurde im Juni um einen Viertelpunkt auf 2,00 Prozent nach unten gesetzt.
Die EZB entscheidet am 24. Juli wieder über den Leitzins. An den Finanzmärkten wird damit gerechnet, dass die Währungshüter diesmal die Füße stillhalten werden. Der litauische Notenbankchef Gediminas Simkus bestärkte sie in dieser Ansicht und sagte, eine Zinspause sei "sehr wahrscheinlich".
Auch Commerzbank-Ökonom Vincent Stamer rechnet mit einem Innehalten der EZB. "Ein Grund hierfür ist, dass die genauen Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Volkswirtschaften im Euroraum noch unklar sind." In den kommenden Monaten dürfte sich seiner Ansicht nach dann mehr und mehr zeigen, dass die Exporte durch diese Politik gebremst und die Warenpreise eher gedrückt werden: "Auch daher erwarten wir, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Ende des Jahres ein weiteres Mal um 25 Basispunkte reduzieren wird." Der Einlagensatz würde dann bei 1,75 Prozent landen.