Klima-Expertenrat widerspricht Habeck - 2030-Ziel wird wohl verfehlt

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- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Der Expertenrat für Klimafragen sieht die deutschen Klimaziele für 2030 in Gefahr und widerspricht Klimaschutzminister Robert Habeck.

Man gehe aufgrund der erwarteten Treibhausgas-Emissionen von 2021 bis 2030 von einer Zielverfehlung aus, erklärten die von der Regierung beauftragten Experten am Montag nach Prüfung der Daten. Kommen die Experten 2025 zur gleichen Einschätzung, muss die Regierung laut Klimagesetz nochmal handeln. Die Experten empfahlen der Ampel-Regierung aber, schon jetzt neue Klimaschutz-Instrumente zu prüfen, besonders im Bau- und Verkehrssektor. Noch im März hatte das Umweltbundesamt auf Basis dieser sogenannten Projektionsdaten geurteilt, das Ziel 2030 könne erreicht werden. "Deutschland ist auf Kurs - erstmals", hatte Habeck daraufhin gesagt. Dies wird durch das Urteil des Expertenrats nun fundamental infrage gestellt.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ging die Bundesregierung scharf an. "Das Sondergutachten des Expertenrats ist eine Blamage für die Bundesregierung, die nach dem Motto 'Klimaschummelei statt Klimaschutz' Politik macht", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Das Vorgehen der Bundesregierung ist dreist." Er verwies auf Gerichtsverfahren und Urteile, in denen der Regierung bereits unzureichender Klimaschutz attestiert wurde.

Ein Weckruf an die Politik sei das Gutachten, sagte BUND-Chef Olaf Bandt. "Die Ampel versagt beim Klimaschutz. Das ist das eindeutige Testat des Expertenrates für Klimafragen." Deutschland sei nicht auf Zielkurs – nicht für 2030, geschweige denn darüber hinaus.

REGIERUNG SPRICHT NICHT ÜBER ZUSÄTZLICHEN KLIMASCHUTZ

Das Klimaministerium erklärte, man nehme das Urteil der Experten sehr ernst. "Wir forcieren weiter noch bessere Rahmenbedingungen, damit die Energiewende fortgesetzt werden kann", sagte ein Sprecher und verwies etwa auf das kürzlich beschlossene Solarpaket. Dieses sei in die Prognosen noch nicht eingeflossen. Das gilt laut Expertenrat aber auch für die Kürzungen im Klimafonds der Regierung, die besonders den Klimaschutz im Gebäudesektor treffen.

Das Verkehrsministerium erklärte, man nehme das Gutachten zur Kenntnis. Man habe im Verkehrssektor aber ungleich größere Herausforderungen als in anderen, sagte ein Sprecher. Man sei gegen Verbote, Klimaschutz müsse zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten umgesetzt werden.

EXPERTENRAT HAT IM NEUEN KLIMASCHUTZGESETZ STÄRKERE ROLLE

Nach dem neuen Klimagesetz ist das Urteil des Expertenrats entscheidend, ob Deutschland beim Klimaschutz nachsteuern muss. Dies greift aber erst, wenn der Rat dies mit Blick auf die Daten bis 2030 zweimal infolge feststellt. Sollte dies 2025 erneut geschehen, wäre doch noch die bisherige Ampel-Regierung gefordert, mehr beim Klimaschutz zu tun. Allerdings fiele das Urteil dann in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes 2025.

Deutschland ist verpflichtet, bis 2030 65 Prozent weniger Klimagas auszustoßen als 1990. 2023 hatte Deutschland seine Vorgabe insgesamt erfüllt, die Einzelsektoren Verkehr und Bau aber ihre gerissen. Nach dem neuen Gesetz müssen diese Sektoren aber keine Sofortprogramme mehr auflegen, um wieder auf Kurs zu kommen. Entscheidend ist, dass Deutschland insgesamt seine jeweiligen Jahresziele erreicht und auch 2030 den Projektionsdaten zufolge schafft.

EXPERTEN: BISHER ERWARTETE EMISSIONEN UNTERSCHÄTZT

Ihr Urteil zum Ziel 2030 begründeten die Experten mit einer Unterschätzung der zu erwartenden Treibhausgas-Emissionen in mehreren Sektoren. Das gelte etwa für die Industrie, die zuletzt wegen der Wirtschaftsschwäche weniger CO2 produziert hatte. Aber auch bei allen übrigen Sektoren bis auf Land- und Abfallwirtschaft seien die vom Umweltbundesamt übermittelten Daten zu optimistisch. So gehen die Experten von einem niedrigeren Preis für CO2-Verschmutzungsrechte aus, was Klimaschutz für die Firmen unattraktiver macht.

Zudem zeichne sich damit ab, dass Deutschland auch nach 2030 nicht auf Kurs zur Klimaneutralität bis 2045 sein werde. Allerdings müsse darauf nach dem neuen Klimaschutzgesetz erst Ende des Jahrzehnts reagiert werden. Dies sei unverständlich. Für ein Handeln werde dann die Zeit zu knapp.

Ähnliches gelte dafür, dass auch mit Blick auf 2030 nach erstmaliger Feststellung der Verfehlung nicht bereits gehandelt werde. Erschwerend komme hinzu, dass die Verantwortung innerhalb der Regierung nicht klar geregelt sei. Während bisher die Minister für die Bereiche, die ihre Sektorziele verfehlt hatten, handeln müssten, sei jetzt die gesamte Regierung in der Verantwortung. Unklar sei aber die Federführung.

Nicht gelöst sei zudem das aufziehende Problem mit der EU: Während die Sektorziele für Verkehr, Bau- oder Landwirtschaft in Deutschland mit dem neuen Gesetz an Bedeutung verloren hätten, sei dies in der EU nicht der Fall. Verfehlt ein Staat hier seine Vorgaben, muss er Emissionsrechte in anderen zukaufen, die ihre Ziele übererfüllen. Praktisch sind dies Strafzahlungen, die Milliarden-Beträge für Deutschland ausmachen könnten.

(Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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