Siemens baut in Digital-Sparte einige tausend Stellen ab

- von Alexander Hübner
München (Reuters) - Der Münchner Technologiekonzern Siemens zieht erste Konsequenzen aus der anhaltenden Schwäche seines Aushängeschilds Digital Industries.
Im Geschäft mit der Industrieautomatisierung könnten bis zu 5000 Stellen wegfallen. "Wir werden die eine oder andere Anpassung machen müssen - weltweit", sagte Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz in München. Davon sei eine niedrige bis mittlere vierstellige Zahl der 70.000 Beschäftigten der Sparte betroffen. Zugleich gebe es bei Siemens 8000 offene Stellen, fügte Busch an. Die Nachfrage nach Automatisierungstechnik in Europa, vor allem aber in China ist wegen der Konjunkturflaute und der vollen Läger schwach. Das Geschäft bleibe "herausfordernd", sagte Busch.
Finanzvorstand Ralf Thomas erwartet, dass sich die Erholung bis in die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2024/25 (per Ende September) hinziehen wird. China falle als Wachstumslokomotive aus. "Was fehlt, ist der zündende Funke bei den Endabnehmern." An den Ausbauplänen für die Werke in Erlangen und Singapur hält Vorstandschef Busch fest, sie könnten allenfalls langsamer umgesetzt werden. "Wir glauben daran, dass der Automatisierungs-Markt langfristig ein Wachstumsmarkt ist", sagte er. Dafür sprächen schon der Fachkräftemangel und der noch immer niedrige Automatisierungsgrad im Mittelstand.
Im laufenden Geschäftsjahr dürfte die Sparte DI, die lange zuverlässig gute Zahlen ablieferte, im besten Fall um ein Prozent wachsen. 2023/24 war sie um acht Prozent geschrumpft, obwohl das Softwaregeschäft Analysten zufolge besser lief als gedacht. Die übrigen Siemens-Geschäfte, allen voran die Gebäude- und Infrastruktur-Sparte Smart Infrastructure (SI), machten das mit Mühe wett.
Der Konzernumsatz stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr auf vergleichbarer Basis um drei Prozent auf 75,9 Milliarden Euro - der Vorstand hatte mindestens vier Prozent erhofft. Der Auftragseingang bröckelte um vier Prozent auf 84,1 Milliarden ab, war damit aber stabiler als befürchtet. Das Ergebnis aus dem industriellen Geschäft verbesserte sich auf 11,4 (2022/23: 11,3) Milliarden Euro, wobei SI zum ersten Mal mehr Gewinn abwarf als DI. Der erfolgreiche SI-Chef Matthias Rebellius hatte seinen Vorstandsvertrag am Mittwoch nur um ein Jahr bis Herbst 2026 verlängert.
"STRATEGISCH IN DIE RICHTIGE RICHTUNG"
Unter dem Strich stand 2023/24 ein Rekordgewinn von 9,0 (8,5) Milliarden Euro. Die Aktionäre sollen eine um 50 Cent erhöhte Dividende von 5,20 Euro je Aktie erhalten. Die Aktie schoss um bis zu neun Prozent auf ein Allzeithoch von 195,50 Euro nach oben. "Die Erwartungen des Marktes waren gering", schrieben die Analysten der DZ Bank, die Experten hätten bei DI noch Schlimmeres befürchtet. Doch das Geschäft mit Industrie-Software habe besser abgeschnitten als gedacht. "Ein starkes Finish und ein solider Ausblick" fasste Berenberg-Analyst Philip Buller seinen Eindruck vom Zahlenwerk zusammen. "Das Management bewegt sich strategisch weiter in die richtige Richtung."
Busch kündigte ein Programm mit dem Namen "One Tech Company" an, das die Unternehmensteile enger verzahnen soll. Ziele seien ein stärkerer Kundenfokus, schnellere Innovationen und ein stärkeres profitables Wachstum. Software etwa solle nur noch einmal entwickelt und über den ganzen Konzern ausgerollt werden. "Das ist ein Wachstumsprogramm", kein Sparprogramm, sagte Busch. Der jüngst angekündigte, mehr als zehn Milliarden Dollar schwere Zukauf der US-Industriesoftwarefirma Altair gehöre schon dazu. "Wir werden weiterhin in Forschung und Entwicklung sowie in Zukäufe investieren", betonte der Vorstandschef. Mindestens 8,3 Prozent des Umsatzes sollen in die Forschung und Entwicklung fließen. "Beginnend mit dem Geschäftsjahr 2025 werden wir Siemens auf die nächste Stufe der Wertsteigerung heben."
Zunächst baut Siemens dabei auf SI und das Zug-Geschäft. Sie sollen die erwarteten Einbußen bei DI mit kräftigen Zuwächsen wettmachen, so dass der Konzernumsatz auf vergleichbarer Basis um drei bis sieben Prozent wachsen soll. Ein Auftragsbestand von 113 Milliarden Euro schürt Zuversicht. SI könnte vor allem dank der reißenden Nachfrage nach Rechenzentren mit 17 bis 18 Prozent eine höhere Marge erwirtschaften als DI (15 bis 19 Prozent). Für das bereinigte Ergebnis je Aktie setzt sich Siemens mit 10,40 bis 11,00 (10,54) Euro das gleiche Ziel wie für 2023/24.
(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Myria Mildenberger und Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)