Aufholjagd - NRW-Ministerpräsident Laschet kämpft um CDU-Vorsitz
- von Andreas Rinke
Schwarzenberg/Berlin (Reuters) - Es ist ein doppeltes Wagnis, als Armin Laschet die Bühne im Fußballstadion von Erzgebirge Aue betritt.
In seinem Bundesland NRW kritisiert die Opposition, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident bei einem Freiluftkonzert aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Freistaates Sachsen auftritt - obwohl eine solche Freiluft-Veranstaltung mit 2000 Zuschauern in Corona-Zeiten in NRW verboten wäre. Und der Kandidat für den CDU-Vorsitz tritt im Osten ausgerechnet im konservativen sächsischen "Merz-Land" auf, wo sich die Mehrheit der CDU-Anhänger einen CDU-Chef Friedrich Merz erhofft.
Doch auf der Bühne macht der CDU-Vize fast alles richtig, erntet am Ende Applaus und keine Pfiffe. Laschet zieht im stolzen Bergbaugebiet des Erzgebirges, wo das Steigerlied als Regionalhymne gilt, Parallelen zu den Kumpel im Ruhrgebiet. Der 59-Jährige würdigt die Lebensleistung der Ostdeutschen nach der Einheit, die auch die Westdeutschen anerkennen müssten. Und er betont, dass Länder mit niedrigen Corona-Infektionszahlen ihren Bürgern eben auch mehr Freiheiten gestatten können, als dies derzeit in NRW möglich sei.
Den freundlichen Empfang kann der NRW-Ministerpräsident, der am Sonntag auf ein gutes Abschneiden der CDU bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hoffen muss, gut gebrauchen. Denn Laschet führt derzeit an allen Fronten einen eher stillen, aber beharrlichen Kampf um den CDU-Vorsitz, über den Anfang Dezember auf dem CDU-Bundesparteitag entschieden werden soll. Bei einigen Beobachtern galt dabei ausgerechnet der mächtige Landeschef schon als aussichtsloser Außenseiter, weil er in Meinungsumfragen regelmäßig hinter seinen Gegenkandidaten liegt.
Im ARD-Deutschlandtrend landet er vergangene Woche bei den Unions-Anhängern bei der Frage nach dem besten Kanzlerkandidaten klar hinter CSU-Chef Markus Söder, aber auch hinter Merz und erstmals sogar dem dritten Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, auf dem letzten Platz. In einer WDR-Umfrage zeigen sich 52 Prozent der Nordrhein-Westfalen mit seiner Regierungsführung zufrieden - deutlich weniger als im April. Gerade erst hat sich der Bundesvorstand der Mittelstandsvereinigung wieder für Merz ausgesprochen, weil dieser der CDU "klare Kontur" verleihen könne.
SYSTEMATISCHES WERBEN IM OSTEN
Aber Laschet ficht das nicht an. Er argumentiert immer wieder, dass die Wahlen in der CDU und in Deutschland am Ende in der Mitte gewonnen würden - und da sei er nun einmal der beste der drei CDU-Kandidaten. Auch wenn er in der Corona-Politik teilweise mit Kanzlerin Angela Merkel zusammenrasselt: Laschet verspricht sowohl in der Innen- als auch Außenpolitik die größte Kontinuität zur Politik der Kanzlerin. Das nötige "Rüstzeug" für einen Kanzlerkandidaten hatte Merkel ihm bei einem Besuch im Landeskabinett in Düsseldorf bescheinigt und ihm damit den politischen Ritterschlag erteilt.
Und auch wenn er offene Kritik an Merz und Röttgen vermeidet: Immer wieder betont Laschet, was er beiden voraus hat - Regierungserfahrung, gewonnene Wahlen, Offenheit sowohl gegenüber Grünen, SPD wie FDP, mit der er eine weitgehend geräuschlose Koalition in Nordrhein-Westfalen führt. Gerade erst hat er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron getroffen - bereits zum dritten Mal in diesem Jahr, was Augenhöhe mit den Großen der Welt unterstreichen soll.
Dazu kommt der Schachzug, im NRW-Kabinett nicht nur Minister vom Wirtschafts- und Sozialflügel der CDU benannt zu haben, sondern im Rennen um den Vorsitz zusammen mit einer der Gallionsfiguren der Konservativen und Jungen Union aufzutreten: Gesundheitsminister Jens Spahn. Laschet präsentiert sich gerne mit dem "Team"-Slogan, auch wenn sich prominente Unterstützer bis auf Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther nicht aus der Deckung wagen. Systematisch wirbt Laschet nun im Osten um Unterstützung, nicht nur in Sachsen, sondern auch bei Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Die Kommunalwahlen dürften für Laschet dabei nur bei einem drastischen Abrutschen der CDU einen Rückschlag bedeuten, heißt es parteiintern. Ohnehin habe der NRW-CDU-Landesvorsitzende noch etwas in das Rennen um den CDU-Vorsitz einzubringen, über das weder Merz noch Röttgen verfügten: die Möglichkeit, Posten zu verteilen und Karrieren mit zu prägen. Das gilt durchaus als wichtiger Punkt beim Werben um die Mehrheit der 1001 Parteitags-Delegierten - von denen immerhin ein Drittel aus NRW kommt.