Bundesregierung mahnt in Pandemie Einhaltung der "Notbremse" an

Reuters · Uhr

- von Alexander Ratz

(Reuters) - Eine Woche vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel zur Coronavirus-Pandemie steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter und liegt vielerorts über der als "Notbremse" eingezogenen Inzidenz-Marke von 100.

Regierungssprecher Steffen Seibert forderte daher am Montag, die Beschlüsse von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den 16 Ministerpräsidenten der Länder vom 3. März umzusetzen. "Jetzt haben wir ein starkes Wachstum der Fallzahlen, und wir müssen entsprechend handeln." Liege die Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100, so seien die eingeleiteten Öffnungen wieder zurückzunehmen, zitierte Seibert aus dem Beschluss. "Das ist eine wichtige Maßnahme, um weiteres exponentielles Wachstum mit allen Folgen für Menschen und Gesundheit möglichst abzuwenden."

Der Regierungssprecher verwies darauf, dass nicht nur die Zahl der Neuinfektion wieder exponentiell steige. Es steckten sich auch verstärkt jüngere Menschen an. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spreche von einem "diffusen Infektionsgeschehen". Auch die Zahl der Intensivpatienten gehe derzeit nicht weiter zurück. "Das sind keine guten Nachrichten", sagte Seibert. Daher müsse der Beschluss umgesetzt werden, "nicht nur in seinen erfreulichen Passagen, sondern auch in seinen schwierigen". Mit Blick auf die dafür verantwortlichen Länder betonte er: "Wenn man Beschlüsse fasst, geht man immer davon aus, dass sie auch Realität werden."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht bei der Umsetzung der Notbremse keinen "Automatismus". Man müsse jeweils sehen in Landkreisen, was die Gründe für einen Anstieg der Infektionszahlen seien - das könne etwa in Grenzgebieten anders sein als in anderen Landkreisen. Deshalb könnten sich die Antworten unterscheiden. Die Kreise seien aufgefordert, den von Bund und Ländern vereinbarten Notfallmechanismus "pragmatisch umzusetzen".

Merkel und die Länderchefs beraten am nächsten Montag über das weitere Vorgehen. Eine Telefonkonferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch sei ausschließlich der Impfstrategie vorbehalten, sagte Seibert.

Das RKI meldete für Montag 6604 Neuinfektionen. Das waren rund 1600 Fälle mehr als am Montag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg im Vergleich zum Vortag auf 82,9 von 79, vor einer Woche lag sie bei 68. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 47 weitere Menschen sind in Verbindung mit Covid-19 gestorben. Damit erhöhte sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle binnen 24 Stunden auf 73.418. Insgesamt wurden bislang mehr als 2,575 Millionen Menschen in Deutschland positiv auf das Coronavirus getestet. RKI-Präsident Lothar Wieler hatte am Freitag gewarnt, die Zahlen pendelten sich auf zu hohem Niveau ein. Vor allem steckten sich viele Kinder und Jugendliche an.

Zahlreiche Landkreise in Deutschland liegen mittlerweile wieder dauerhaft über einer Inzidenz von 100 und müssten die "Notbremse" eigentlich ziehen. So beträgt die Inzidenz etwa in der Stadt Pirmasens laut RKI derzeit 154,1. Dennoch verzichtet der Bürgermeister "aufgrund örtlicher Besonderheiten" auf eine Schließung des Einzelhandels. Dies wäre "unverhältnismäßig und rechtswidrig", erklärte Oberbürgermeister Markus Zwick auf der Internet-Seite der Stadt. Auch in Mannheim liegt die Inzidenz mit derzeit 109 über dem Grenzwert, weshalb hier allerdings ab Dienstag die "Notbremse" gezogen wird. Kunden dürfen dann auch mit Reservierung (Click and Meet) nicht mehr die Läden betreten. Auch körpernahe Dienstleistungen wie Maniküre müssen ihren Betrieb wieder schließen.

Unter den Bundesländern weist laut RKI Thüringen derzeit mit 168,1 die höchste Inzidenz auf, gefolgt von Sachsen mit 112,9 und Sachsen-Anhalt mit 107,8. Am niedrigsten ist die Zahl in Schleswig-Holstein mit 50,9.

"KEINE EINLADUNG ZUM REISEN"

Regierungssprecher Seibert lehnte eine Prognose zur Lage an Ostern ab. Er betonte aber: "Wir raten weiterhin von jeder nicht notwendigen, jeder vermeidbaren Reise ab." Auch die Entscheidung, Mallorca nicht mehr als Risikogebiet zu listen, ändere daran nichts. "Das Fehlen einer Reisewarnung ist keine Einladung zum Reisen", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Nachdem die Balearen-Insel nicht mehr als Risikogebiet gilt, sind die Buchungen aus Deutschland über die Osterferien sprunghaft gestiegen. Die Lufthansa-Tochter Eurowings hat daher für die Oster-Reisezeit zusätzlich 300 Flüge nach Mallorca ins Programm genommen. Voraussetzung für Fluggäste ist ein negativer PCR-Test. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rief die Deutschen in der "Rheinischen Post" dazu auf, zu Hause zu bleiben. "Reisen sollten an Ostern möglichst nicht unternommen werden, erst recht keine Flugreisen."

Der Deutsche Lehrerverband ist wegen des starken Anstiegs der Infektionen bei Kindern und Jugendlichen besorgt, warnt aber vor erneuten Schulschließungen. "Wenn wir nicht wollen, dass die überwiegende Mehrzahl der Schulen wieder auf Distanzunterricht umsteigen muss, weil dort die 100er Inzidenzgrenze überschritten wird, müssen wir jetzt sofort die Impfungen von Lehrkräften an allen Schularten vorziehen, alle Schülerinnen und Schüler mindestens zweimal wöchentlich testen", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der "Rheinischen Post". Parallel dazu gehen die Öffnungen von Schulen weiter. In Berlin sollen etwa ab Mittwoch die Jahrgangsstufen 10 bis 12 wieder in den Präsenzunterricht gehen.

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