Corona-Inzidenz von fast 400 treibt Debatte über Impfpflicht voran
- von Andreas Rinke und Hans Seidenstücker
Berlin (Reuters) - Angesichts rapide steigender Corona-Zahlen verschärft sich die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland.
Nach den Länderchefs von Baden-Württemberg und Bayern sprach sich am Dienstag auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) dafür aus. Er glaube, dass dies richtig und verfassungsrechtlich machbar sei. Dagegen zeigte sich Kanzleramtschef Helge Braun ebenso skeptisch wie Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU). Der Unions-Fraktions-Vize Thorsten Frei (CDU) rief die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP auf, ihre Position zu dem Thema zu klären. In der EU setzte unterdessen eine neue Debatte darüber ein, unter welchen Voraussetzungen Reisen in Corona-Zeiten noch möglich sein sollten.
"Entweder wir gehen von Welle zu Welle, schränken jedes Mal wieder ein oder es gelingt uns, den Impfstatuts zu erhöhen", sagte Bouffier". Alle bisherigen Versuche, die Impfquote zu steigern, seien gescheitert. "Das ist der Hintergrund. Und dann glaube ich ist es richtig, dass man zu einer Impfpflicht kommt." Das sei auch verfassungsrechtlich machbar. "Ich glaube, dass es so kommen muss, um dauerhaft diese Wellen zu brechen."
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte eine rasche Entscheidung zu dem Thema. Dabei könne auch der Ethikrat eingeschlossen werden. Braun warnte in der "Welt" vor einem "Spaltungspotenzial in der Gesellschaft". Anders sei dies bei Impfpflichten für Beschäftigte in bestimmten Einrichtungen: "Die wird jetzt vorbereitet und ich gehe davon, dass so etwas sehr schnell kommt", sagte er mit Blick auf einen entsprechenden Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vergangene Woche.
Das Impftempo zieht unterdessen langsam wieder an. So wurden nach Angaben der Bundesregierung am Montag 359.604 Personen geimpft. Darunter waren 51.509 Erst- und 31.464 Zweitimpfungen sowie 276.631 Auffrischungen. Vollständig geimpft sind nach Daten des RKI 68 Prozent der Bevölkerung.
Ab Dienstag wollen die EU-Staaten diskutieren, ob der Nachweis einer Booster-Impfung Voraussetzung für freies Reisen innerhalb der EU sein sollte. Die EU-Kommission wird dazu Vorschläge vorlegen. In die deutsche Corona-Warn-App oder die CovPass-App, deren elektronische Impfnachweise für grenzüberschreitendes Reisen genutzt werden, kann die Booster-Impfung bereits eingelesen werden.
INZIDENZ IN SACHSEN BEI 969,4
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 399,8 nach 386,5 am Montag. Der Wert gibt an, in wie vielen Fällen je 100.000 Einwohner Menschen in den vergangenen sieben Tagen positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Das RKI registrierte zudem 45.326 neue Corona-Fälle binnen 24 Stunden, 13.278 mehr als am letzten Dienstag. 309 weitere Menschen starben, die positiv getestet wurden. Damit erhöht sich deren Zahl auf 99.433. Insgesamt fielen hierzulande bislang mehr als 5,43 Millionen Corona-Tests positiv aus.
Drastische Anstiege der Infektionen gibt es weiter vor allem im Südosten. In Sachsen kletterte die Inzidenz auf 969,4. In Thüringen beträgt sie 685,3, in Bayern 644,9, in Brandenburg 600,1 und in Sachsen-Anhalt 591,7. In allen fünf Ländern ist die Impfquote unterdurchschnittlich. Die niedrigste Inzidenz hat Schleswig-Holstein mit 144,5. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten gab die Vereinigung der Intensiv-Mediziner (Divi) mit 3964 an, Tendenz stetig steigend.
Angesichts der ebenfalls wieder steigenden Testungen warnte der Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore (ALM), dass diese an ihre Grenzen stoßen. Die bundesweite Auslastung der Facharztlabore bei PCR-Tests sei im Vergleich zur Vorwoche von 75 auf 86 Prozent gestiegen. Die Zahl der positiven PCR-Tests habe um 31 Prozent auf 348.992 zugelegt.