EMA sieht Vorteile von AstraZeneca nach wie vor größer als Risiken

Reuters · Uhr

- von Anthony Deutsch und Andreas Rinke

Berlin/Amsterdam (Reuters) - Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hält die Vorteile einer Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin nach wie vor für größer als die Risiken.

EMA-Chefin Emer Cooke sagte am Dienstag, es gebe keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff ursächlich für die Bildung einer seltenen Form von Blutgerinnseln verantwortlich sei. Ein möglicher Zusammenhang müsse aber geprüft werden. "Dies ist ein ernstes Problem und erfordert eine ernsthafte und detaillierte wissenschaftliche Bewertung." Dabei werde auch untersucht, ob die Fälle nur mit einzelnen Chargen zusammenhängen. Die Ergebnisse der Untersuchung werde die EMA am Donnerstagnachmittag bekanntgeben.

Das Aussetzen von Covid-19-Impfungen mit dem Mittel von AstraZeneca in weiten Teilen Europas sorgte unterdessen zunehmend für Kritik. Italiens Arzneimittelaufsicht Aifa stuft den Impfstoff als sicher ein. Das Verhältnis von Nutzen zu Risiko sei "weitgehend positiv", sagte Aifa-Direktor Nicola Magrini der Zeitung "La Repubblica". Sobald alle Zweifel ausgeräumt seien, "können wir schneller weitermachen als zuvor". Auch der französische Gesundheitsminister Olivier Veran sagte vor Journalisten, das Verhältnis von Nutzen und Risiken bei dem AstraZeneca-Vakzin bleibe positiv. Er erwarte, dass die EMA entscheide, die Impfungen fortzusetzen.

Die Bundesregierung rechtfertigte ihre Entscheidung, die Impfungen auf Eis zu legen. Man habe nach der Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nicht anders handeln können, hieß es in Regierungskreisen am Dienstag. Der für Mittwochabend geplante Impfgipfel von Bund und Ländern wurde wegen der Entscheidung abgesagt. Bei der Telefonkonferenz von Kanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefs der 16 Bundesländer sollte es eigentlich um die Impfstrategie und die Einbindung der Hausärzte gehen. Vor einem solchen Treffen solle die Entscheidung der EMA zu AstraZeneca abgewartet werden.

Nach Angaben des PEI wurden nach etwa 1,6 Millionen AstraZeneca-Impfungen in Deutschland in sieben Fällen eine spezielle Form schwerwiegender Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen festgestellt. Drei Menschen starben. Betroffen sind sechs Frauen und ein Mann im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Die Anzahl dieser Fälle sei statistisch signifikant höher als die Anzahl von Hirnvenenthrombosen, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung auftreten - etwa ein Fall wäre zu erwarten gewesen.

Laut EMA-Chefin Cooke werden in der EU gegenwärtig 30 Fälle von Blutgerinnseln unter insgesamt fünf Millionen Geimpften untersucht. Insgesamt sind in die EU 45 Millionen Dosen des Impfstoffs geliefert worden. Wichtig sei, dass das Vertrauen in das Präparat erhalten bleibe, betonte Cooke. Als eine mögliche EMA-Entscheidung wird in deutschen Regierungskreisen eine Nutzung des Impfstoffes mit einer Warnung oder Einschränkung für Thrombose-gefährdete Patienten gesehen.

ÖSTERREICH UND GROSSBRITANNIEN HALTEN AN ASTRAZENECA FEST

Berichte über Blutgerinnsel als mögliche Folge einer Impfung mit dem Präparat hatten eine Diskussion über die Sicherheit entfacht. Die Niederlande, Irland, Dänemark, Norwegen und Island hatten bereits den Einsatz des Impfstoffs ausgesetzt, bevor Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Slowenien und Zypern am Montag folgten. Schweden und Lettland schlossen sich am Dienstag an.

Österreich wird den Impfstoff dagegen vorerst weiter verabreichen. Die Entscheidung über die Verimpfung des umstrittenen Vakzins will Gesundheitsminister Rudolf Anschober dem nationalen Impfgremium und der EMA überlassen. "Es wird keine Entscheidung geben, wo ich im Widerspruch zu dem handele, was uns das nationale Impfgremium empfiehlt", sagte der Grünen-Politiker. Auch Großbritannien sieht keinen Grund zu handeln. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson sagte, es gebe keine Hinweise darauf, dass das Vakzin Blutgerinnsel verursache.

BERLIN NIMMT WEITERE LOCKERUNGEN ZURÜCK

Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger warnte vor einem Scheitern der Impfstrategie bei einem längerfristigen Ausfall des Impfstoffs. "Bei einer langfristigen Aussetzung der Impfungen von AstraZeneca ist das Wettrennen gegen die Dritte Welle nicht mehr zu gewinnen", sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwochausgabe).

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 5480 Neuinfektionen. Das sind 1228 Fälle mehr als am Dienstag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt im Vergleich zum Vortag leicht auf 83,7 von 83, vor einer Woche lag sie bei 67,5. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Der Trend heizt die Diskussion über weitere Lockerungen oder erneute Schließungen weiter an. Das Land Berlin kündigte an, auf weitere Öffnungsschritte zunächst zu verzichten.

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