Ernüchterung über Corona-Medikament - Anleger gehen in Deckung

Reuters · Uhr

Frankfurt (Reuters) - Europas Anleger haben zum Wochenschluss dem Aktienmarkt den Rücken gekehrt.

Für Ernüchterung sorgte ein Medienbericht über angeblich enttäuschende Testergebnisse bei einem als Hoffnungsträger gehandelten Coronavirus-Medikament. Dax und EuroStoxx50 verloren jeweils ein Prozent auf 10.410 beziehungsweise 2824 Zähler. "Die Reaktion auf den Rückschlag im Kampf gegen das Virus zeigt, dass die aktuelle Erholungsrally am Aktienmarkt auf sehr wackeligen Beinen steht", sagte Milan Cutkovic, Marktanalyst beim Brokerhaus AxiTrader. Es geht um das Mittel Remdesivir des US-Pharmakonzerns Gilead. Dieser wies den Medienbericht allerdings zurück und betonte, die fragliche Studie in China sei wegen mangelnder Teilnehmerzahl vorzeitig abgebrochen worden und daher statistisch nicht aussagekräftig.

Auch das Ergebnis des EU-Gipfels wurde mit Enttäuschung aufgenommen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vertagten die Einigung auf ein Corona-Konjunkturprogramm. Vor allem die strittige Frage der Finanzierung ist weiterhin offen und soll wohl erst im Sommer geklärt werden. "Das Verschuldungsproblem der Europäischen Währungsunion wurde mit den Entschlüssen gestern nicht gelöst - ein Anpassungsmechanismus zwischen den Ländern im Norden und denen im Süden fehlt weiterhin", sagte Jan Viebig, Chefinvestor bei Oddo BHF. "Die Verschuldung Italiens dürfte nun in diesem Jahr wegen der Kosten im Zusammenhang mit Corona auf deutlich über 155 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, eine Rating-Herabstufung schon in nächster Zeit ist wahrscheinlich."

Das setzte die italienischen Anleihen unter Druck. Deren Rendite stieg im Gegenzug auf bis zu 2,106 Prozent. Noch am Freitag wollte die Ratingagentur S&P Global ihre Einschätzung der italienischen Kreditwürdigkeit überprüfen. Derzeit kommt Italien auf ein "BBB"-Rating - das liegt nur zwei Punkte über dem sogenannten Ramsch-Bereich. Analysten gehen nicht von einer unmittelbaren Herabstufung aus. In den kommenden Monaten sei das Risiko dafür aber deutlich größer.

Die Pandemie lähmt die Wirtschaft massiv. In Deutschland ist die Stimmung in den Chefetagen laut Ifo-Institut so schlecht wie nie zuvor. "Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft mit voller Wucht", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Mit der Lockerung des Shutdowns steige zwar die Chance auf eine Stimmungsverbesserung, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Da das Infektionsrisiko aber ganzjährig hoch sei und Schutzmaßnahmen zum Alltag gehören dürften, sei es "wenig wahrscheinlich", dass die Wirtschaft die Krise rasch hinter sich lassen könne.

ÖLPREIS WEITER UNTER DRUCK

Beim Ölpreis zeichnete sich keine Entspannung ab. Ein Barrel (159 Liter) leichtes US-Öl kostete mit 15,64 Dollar zeitweise 5,2 Prozent weniger als am Donnerstag, Nordseeöl der Sorte Brent verbilligte sich um bis zu 3,9 Prozent auf 20.50 Dollar. Analysten geben keine Entwarnung nach dem historischen Preiskollaps vom Wochenauftakt. "Das geförderte Öl hat schlichtweg keinen Platz mehr, an dem es gelagert werden kann", sagte Bjornar Tonhaugen, beim Analysehaus Rystad Energy zuständig für den Ölmarkt. Wegen der Coronavirus-Pandemie ist die Nachfrage nach Öl um 30 Prozent eingebrochen. Zugleich sind die Lager insbesondere in den USA bis zum Bersten gefüllt.

LUFTHANSA IN SINKFLUG

Unter Druck standen die Aktien der Lufthansa, die 8,2 Prozent nachgaben und mit 7,16 Euro zeitweise so wenig kosteten wie seit der Sars-Pandemie vor 17 Jahren nicht mehr. Insidern zufolge will die Fluggesellschaft Anfang kommender Woche ein Hilfspaket mit einem Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro schnüren. Das Unternehmen leidet massiv darunter, dass im Zuge der Coronavirus-Bekämpfung der Flugverkehr fast vollständig eingestellt wurde. "Im Moment heißt es Staatshilfe oder das Ende", urteilten die Experten des Brokerhauses Bernstein.

Auch Banken standen auf der Verkaufsliste, nachdem S&P den Daumen über die Commerzbank, die Deutsche Bank und andere Geldhäuser wegen der Corona-Krise gesenkt hatte. Die Deutsche-Bank-Aktien gaben 4,6 Prozent nach, die Titel der Commerzbank knapp drei Prozent.

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