Kampf um Wählerinnen in 2021 - CDU will mit Parität locken

Reuters · Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Es waren deutliche Worten von Angela Merkel: Der niedrige Frauenanteil in der CDU gefährde die Existenz als Volkspartei, warnte die Kanzlerin.

Immer wieder werde nicht einmal das parteiinterne Drittel-Quorum beim Frauenanteil erreicht, kritisierte sie mit Blick auf die überwiegende männliche Zusammensetzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Warnung Merkels stammt aus dem Jahr 2018. Doch erst am Mittwoch einigte sich die Struktur- und Satzungskommission der CDU darauf, eine verbindliche Quote einzuführen, die 2021 an schrittweise bis 2025 auf 50 Prozent angehoben werden soll. Noch ist nicht sicher, ob der Bundesparteitag Anfang Dezember dieser Änderung zustimmen wird.

Dass Merkel, die jetzige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und die Vorsitzende der Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, seit Jahren so energisch auf eine Reform pochen, hat weniger mit eigenen Karriere-Ambitionen zu tun. Vielmehr verweisen alle drei Frauen darauf, dass es um die Machtfrage der CDU im Wahljahr 2021 geht. Denn CDU und CSU sind nach Einschätzung von Demoskopen gerade dabei, einen entscheidenden früheren Vorteil zu verspielen: Seit Jahrzehnten sind Frauen die heimliche Machtbasis der beiden Schwesterparteien. Noch bei der Bundestagswahl 2017 etwa wählten nach Angaben des Bundeswahlleiters 29,8 Prozent der Wählerinnen die CDU - aber nur 23,5 Prozent der Wähler.

Und nun steht der Rückzug von Kanzlerin Merkel an. Zudem wird CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer nach jetzigem Stand ihren Posten Anfang Dezember an einen Mann abtreten - das äußere Erscheinungsbild an der Spitze wird also männlicher werden. Intern wird deshalb trotz der hohen Umfragewerte vor einem Absturz gewarnt - zumal die politischen Konkurrenten SPD und vor allem die Grünen mit ihrer Parität bei den Chefposten anders auftreten. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte am Mittwoch süffisant, es sei "schön", dass nun auch die CDU bei der Frauenquote soweit sei.

Deshalb hat die Frauen-Frage in der Union hinter und vor den Kulissen an Fahrt aufgenommen. Die Saarländerin Kramp-Karrenbauer hatte ohnehin schon als CDU-Generalsekretärin keinen Hehl daraus gemacht, dass sie das französische Parité-Gesetz aus dem Jahr 2000 als Vorbild sieht, das für Wahllisten eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen bei Parlamentswahlen vorschreibt. "Die CDU kann nur gewinnen, wenn sie für Wählerinnen weiterhin attraktiv bleibt", hatte auch die Vorsitzende der Frauenunion schon vor Monaten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gewarnt. "Denn bislang haben wir uns bei den Wahlen auf die Frauen verlassen können." Nun aber kandidieren drei Männer für den CDU-Vorsitz: Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Um eine Schieflage zu vermeiden, haben Röttgen und Merz bereits angekündigt, im Falle einer Wahl eine Generalsekretärin ernennen zu wollen.

QUOTE LÖST NICHT ALLE PROBLEME

Aber selbst wenn der Bundesparteitag die neue Frauenquote absegnen sollte, wären für die Union die Probleme noch nicht gelöst. Der Grund ist zum einen, dass nur 26 Prozent der Mitglieder Frauen sind - es also schwer werden wird, Posten mit Frauen zu besetzen. Zum anderen hatten die CDU/CSU-Ortsvereine für die Bundestagswahl 2017 wesentlich mehr Männer als Direktkandidaten in den Wahlkreisen aufgestellt - dort griff das Quorum nicht. Da CDU und CSU fast alle Wahlkreise direkt gewannen, zogen die auf den Landeslisten verankerten Frauen aber nicht in den Bundestag ein.

Schon die Debatte in der CSU über einen Frauenquote hat gezeigt, wie sensibel das Thema in den konservativen Parteien ist. "Mir kommen Vorstöße wie der von Frau Merkel für die Wirtschaft oder der von Frau Kramp-Karrenbauer für die CDU ziemlich übermotiviert und unrealistisch vor", sagt auch Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, zu Reuters - in Anspielung auf die Quotendebatte für Dax-Vorstände. "Ich glaube nicht, dass man bei jungen, bürgerlichen Frauen damit noch einen Blumentopf gewinnen kann."

Dass die Satzungskommission noch vor der Sommerpause eine Entscheidung traf, dürfte die Auswahl der Direktkandidaten in den Wahlkreisen für die Bundestagswahl 2021 beeinflussen. Zwar wird die Satzungsänderung frühestens mit einem positiven Votum des Bundesparteitages im Dezember gültig - aber die CDU-Kreisvorsitzenden haben nun schon die klare Ansage erhalten, dass sie künftig begründen müssen, wenn sie zu wenige Frauen nominieren.

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