Lockdown-Angst und SAP-Kurssturz verschrecken Europas Börsianer

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Frankfurt (Reuters) - Die ungebremst steigenden Corona-Infektionszahlen schrecken Europas Anleger ab.

"Für die Investoren schlägt es mittlerweile fünf vor zwölf", sagte Timo Emden vom gleichnamigen Analysehaus. "Schärferer Restriktionen sind bereits in den kommenden Tagen und Wochen wahrscheinlich." Der Dax steuerte am Montag mit einem Minus von knapp drei Prozent auf 12.274 Punkte auf den größten Tagesverlust seit rund einem Monat zu. Der EuroStoxx50 büßte 2,1 Prozent auf 3132 Zähler ein. In den USA signalisierten die Futures ebenfalls einen schwächeren Handelsauftakt.

Verstärkt wurde der Verkaufsdruck bei beiden durch eine Prognose-Senkung des Index-Schwergewichts SAP. Die Aktien des größten europäischen Softwarehauses stürzten zeitweise um fast 21 Prozent ab, so stark wie zuletzt Anfang 1999. Damit schrumpfte der Börsenwert binnen Minuten um etwa 31 Milliarden Euro - mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Rückversicherers Münchener Rück. In der Folge brach auch der europäische Tech-Index gut sechs Prozent ein.

Wegen der Virus-Krise und vor dem Hintergrund eines enttäuschenden Quartalsergebnisses kappte SAP zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Geschäftsziele. Überraschend sei vor allem der gesenkte Ausblick für das Cloud-Geschäft 2020 so spät im Jahr, kommentierte Analyst Andrew DeGasperi von der Berenberg Bank. Die gesenkten Mittelfrist-Ziele seien ein Zeichen dafür, dass das SAP-Management angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen davon ausgehe, dass sich die Erholung des Geschäfts in Teilen verzögern werde.

KONJUNKTURAUSSICHTEN TRÜBEN SICH EIN

Wasser auf die Mühlen der Konjunktur-Pessimisten war der Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Er fiel überraschend stark auf 92,7 Punkte. Während die Firmen die aktuelle Lage etwas besser einschätzten als erwartet, äußerten sie sich über die Zukunftsaussichten pessimistischer. "Es bedarf keines Lockdowns in Deutschland, um die Konjunktur auszubremsen", warnte DekaBank-Volkswirt Andreas Scheuerle. "Schon die exponentiell steigenden Infektionszahlen reichen aus." Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Insidern zufolge die Lage als "sehr, sehr ernst".

Vor diesem Hintergrund zogen sich Investoren auch aus den Rohstoffmärkten zurück. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um mehr als drei Prozent auf 40,36 Dollar je Barrel (159 Liter). Zugleich deckten sich Anleger mit dem Dollar ein. Dieser legte zu einem Währungskorb 0,3 Prozent zu, der Euro verlor entsprechend 0,5 Prozent an Wert und lag bei 1,1801 Dollar.

FUSION ZWISCHEN FIAT UND PEUGEOT RÜCKT NÄHER

Positive Nachrichten kamen dagegen von den Autowerten: FiatChrysler (FCA) und der französische PSA-Konzern stehen Insidern zufolge kurz vor der Genehmigung ihrer Milliarden-Fusion durch die EU-Kartellbehörde. Die Aktien der beiden Unternehmen legten bis zu 4,3 Prozent zu. Durch den Zusammenschluss würde der weltweit viertgrößte Autokonzern entstehen, der Marken wie Fiat, Jeep, Dodge und Maserati sowie Peugeot, Opel und DS vereint.

In London steuerten die Aktien von Coca-Cola European Partners mit einem Kurssprung von 8,5 Prozent auf den größten Tagesgewinn seit einem guten halben Jahr zu. Der weltgrößte unabhängige Getränke-Abfüller will den australischen Abfüller Coca-Cola Amatil für umgerechnet 5,8 Milliarden Euro schlucken. Dessen Papiere hatten in Sydney rund 16 Prozent zugelegt, so viel wie noch nie.

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