RKI-Chef - Anstieg auf 100.000 Corona-Fälle pro Tag möglich

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Andreas Rinke und Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - RKI-Chef Lothar Wieler warnt vor einer drastischen Verschärfung der dritten Corona-Welle.

Er hält eine Vervielfachung der Fallzahlen für möglich, sollte die Pandemie nicht eingedämmt werden. "Klar, das können dann auch 100.000 pro Tag werden", sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Freitag in Berlin. Alle Indikatoren deuteten darauf hin, dass die dritte Welle schlimmer werden könnte als die erste und zweite, fügte er hinzu. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mahnte Länder und Landkreise, die vereinbarte "Notbremse" ab einer Sieben-Tage-Indizenz von 100 auch wirklich umzusetzen. Bund und Länder hatten vereinbart, dass ab diesem Wert Öffnungsschritte wieder zurückgenommen werden sollen - was allerdings nicht überall umgesetzt wird. In der Bevölkerung wächst einer Umfrage zufolge der Anteil derer, die eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen fordern. Laut ZDF-Politbarometer verdoppelte er sich gegenüber Ende Februar auf 36 Prozent. Mit den bisherigen Maßnahmen sind nur noch 31 Prozent zufrieden. Der Anteil derer, die die Auflagen zu streng finden, stieg leicht auf 26 Prozent.

Das RKI gab 21.573 neue Corona-Fälle bekannt. Das sind fast 4100 mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 119,1 von 113,3 am Donnerstag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen positiv auf das Coronavirus getestet wurden. 183 weitere Menschen starben, die positiv getestet wurden.

Die regionalen Unterschiede sind weiter sehr deutlich: Thüringen weist nun eine Inzidenz von 221,7 auf. Das Saarland kommt dagegen auf 61,1, Schleswig-Holstein auf 62,4. Die saarländische Landesregierung aus CDU und SPD hatte am Donnerstag eine Debatte ausgelöst, weil sie nach Ostern bestimmte Bereiche wie Kinos und Außengastronomie wieder für Personen öffnen will, die einen aktuellen Negativtest vorweisen können. Voraussetzung für die Öffnungen ist aber, dass die Inzidenz nicht über 100 steigt. Der Städte- und Gemeindebund befürwortet die Pläne für weitreichende Corona-Lockerungen im Saarland als "richtigen Ansatz", wie Hauptgeschäftsführer Gerd Landesberg im ZDF äußerte.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht aktuell keine Notwendigkeit zusätzlicher Corona-Beschränkungen. "Wir haben Maßnahmen, die sehr, sehr hart auch greifen", sagte der CDU-Politiker den Sendern RTL und NTV. Auch Sachsen-Anhalt will Öffnungs-Modelle mit verstärktem Testen starten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte im Deutschlandfunk, das Virus sei durch die Mutationen deutlich ansteckender geworden. Daher können die Pandemie "mit dem derzeitigen Instrumentenkasten" nicht aufgehalten werden. Aber in der Bevölkerung hielten sich viele nicht mehr an die Einschränkungen. "Die Menschen haben die Kraft nicht mehr", sagte Kretschmer. Dies müsse die Politik akzeptieren.

SPAHN FORDERT VON LÄNDERN SCHNELLERES IMPFTEMPO

Spahn appellierte an die Länder, auch die Vorräte an Impfstoffen rascher zu verimpfen. Weil im April mehr Impfdosen geliefert würden als im ganzen ersten Quartal, gebe es weniger Notwendigkeit, Vorräte für die Zweitimpfung vorzuhalten. Stattdessen sollten mehr Menschen geimpft werden. So sei es möglich, dass über 70-Jährige etwa an den Wochenenden nicht verimpfte Dosen verabreicht bekommen. "Das gibt die Impfverordnung locker her", sagte Spahn.

Wieler sagte, man müsse sich darauf einstellen, dass die Menschen in ein paar Monaten wegen der Virus-Varianten nochmals geimpft werden müssten. Wegen der Varianten sei es auch notwendig, dass möglichst alle Menschen auf der Welt geimpft werden. Spahn führte aus, dass vor allem die mRNA-Impfstoffe etwa von Biontech und Moderna relativ schnell an neue Varianten angepasst werden könnten.

Die neue Einreiseverordnung, nach der alle Flugreisenden nach Deutschland einen negativen Coronavirus-Test vorweisen müssen, tritt nach Angaben Spahns erst Montagnacht in Kraft. Die Bundesregierung habe Reisenden und Fluggesellschaften etwas mehr Zeit zur Umsetzung der Maßnahme geben wollen. Ursprünglich sollte die Auflage am Sonntag in Kraft treten.

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