Was uns in diesem Jahr erwartet und wie man als Anleger damit umgeht

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Mir fiel der Versuch selten so schwer wie heute, etwas Hilfreiches aus Investorensicht von mir zu geben. Wir Fools sind ja bekannt dafür, dass wir nichts von Prognosen halten. Ich wage trotzdem eine: Das Jahr 2021 wird noch mehr überraschen als das Jahr 2020. Ich frage mich nur, ob positiv oder negativ.

Alles kann passieren

Positiv zu Buche schlagen können die mittlerweile zugelassenen Impfstoffe. Wenn diese in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden können. Und wenn diese von einem ausreichend großen Anteil der Bevölkerung angenommen werden. Und wenn sich die Wirkung als ausreichend positiv herausstellen wird. Und wenn sich gleichzeitig die Nebenwirkungen in Grenzen halten werden.

Negativ überraschen könnte die Entwicklung der Wirtschaft. Je länger der Lockdown noch andauert, desto mehr wird sich hier anstauen. Das Finanzministerium hat jedenfalls bereits Pläne für Überbrückungshilfen bis Mitte 2021.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Die wirklichen Auswirkungen der Krise und wie diese Hilfen tatsächlich geholfen haben, werden wir erst frühestens sehen, wenn das Insolvenzrecht wieder vollständig in Kraft tritt. Und wenn die Banken entsprechende Kredite abschreiben müssen, wodurch sich deren sowieso schon teilweise verheerenden Bilanzen nicht wirklich verbessern werden.

Sowohl auf der positiven als auch auf der negativen Seite schwingen unzählige Fragen mit, die man heute noch nicht beantworten kann. Darüber hinaus hängt die Entwicklung mehr denn je von politischen Entscheidungen ab.

All das macht das Jahr 2021 für mich so unwägbar.

Was bedeutet das für uns als Anleger?

Als Anleger interessieren wir uns dafür, wie sich unser Kapital entwickeln könnte. Dass die Entwicklung dessen komplett unabhängig von der Antwort auf die Fragen oben sein kann, das hat uns das Jahr 2020 eindrucksvoll gezeigt. Wer hätte schon gedacht, dass im Jahr einer Pandemie, die uns vor eine „Jahrhundert-Herausforderung“ stellt (O-Ton Angela Merkel), die Börsen weltweit förmlich explodieren werden?

Genauso könnte es auch andersherum gehen. Selbst wenn die Wirtschaft wieder anfängt zu boomen, was einige im ersten Halbjahr 2021 erwarten, müssen die Börsen deswegen nicht mitziehen. Zieht die Inflation zum Beispiel wieder an, dann könnten die Zentralbanken auf die Idee kommen, ihre Anleihen-Kaufprogramme wieder zurückzufahren. Das könnte sich negativ auf die Märkte auswirken.

Aber kommen wir zum Positiven und Relevanten. Die Foolishe Investitionsphilosophie befasst sich nämlich gar nicht mit diesen Fragen. Von vielen wird diese Art des Investierens als naiv wahrgenommen. Und sie funktioniert auch nicht bzw. nur bedingt für Anleger mit einem Zeithorizont von ein bis drei Jahren.

Für uns Anleger mit einem Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren sieht das allerdings schon anders aus. Diese Naivität hat uns bisher nur geholfen.

Keine Frage wird es auch längere Zeiträume geben, in denen das eigene Portfolio unter einem historischen Höchststand bleibt. Dann ist jedoch oft kein guter Zeitpunkt „auszusteigen“. Das wollen dann nämlich meist alle zu derselben Zeit, was zwangsläufig zu einem schlechten Ausstiegskurs führt. Das ist dann eher die Zeit, einzusteigen bzw. „einfach“ weiter zu investieren.

Das macht die Zeit nach der großen Depression im Jahr 1929 klar. Benjamin Graham hat es in seinem Buch The Intelligent Investor wunderbar vorgerechnet:

„Wenn man Anfang September 1929 12.000 US-Dollar in den S&P 500 Aktienindex investierte, hätte man nach zehn Jahren nur noch 7.223 USD übrig. Wenn man damals hingegen mit läppischen 100 USD angefangen hätte und einfach jeden einzelnen Monat noch einmal 100 USD dazu investiert hätte, dann wäre dieses Geld bis August 1939 auf 15.571 USD gewachsen! Das ist die Macht des disziplinierten Kaufens - selbst unter Anbetracht der Großen Depression und des schlimmsten Bärenmarkts aller Zeiten.“

Also je nach Portfoliogröße und Einkommensverhältnissen hätte man auch während der schlimmsten Wirtschaftskrise in den letzten 100 Jahren ganz gutes Geld verdienen können.

Die Fragen, die ich mir jetzt stelle

Die Märkte sind aktuell so hoch bewertet wie selten zuvor. Allerdings werden die Märkte zunehmend von Faktoren bestimmt, die nichts mit fundamentalen Bewertungen zu tun haben - wie die Aktionen der Zentralbanken, Algorithmen oder der noch immer stärker werdende Trend hin zum passiven Investieren. Es kann daher alles passieren, sowohl kurz- als auch mittel- und sogar längerfristig.

Die Fragen, die ich mir daher genau jetzt stelle, wo mein Portfolio wie hoffentlich auch das deinige so groß ist wie noch nie zuvor:

-Welche Verluste kann ich aushalten, sollten sich die Märkte mittelfristig negativ entwickeln?

-Wie viel liquides Kapital hätte ich dann gerne zur Verfügung? (Entweder als Risikoabsicherung zum Leben oder um genau dann wieder mehr investieren zu können.)

-Auf wie viel Kapitalertrag zu verzichten wäre ich dafür bereit, sollten die Märkte sich mittelfristig positiv entwickeln?

Das bestimmt dann mein Handeln: Ob und wenn ja, wie viel meiner Aktien und anderer Anlagen ich jetzt verkaufen würde.

Anders gesagt: Ich würde mir lieber genau jetzt diese Gedanken machen und eventuell einen Teil meines Portfolios verkaufen, bevor die Märkte wieder mehr Unsicherheit einpreisen.

Wer dieses Luxusproblem noch nicht hat, weil man zum Beispiel erst am Anfang seiner Investitionen steht, dann würde ich an dieser Stelle das obige Zitat aus The Intelligent Investor versuchen zu verinnerlichen und daran denken, dass man im Jahr 1929 wahrscheinlich nicht vor so viel weniger Unsicherheit stand als im Jahr 2021.

Ich hoffe, dass diese Zeilen ein wenig hilfreich waren. Auf jeden Fall wünsche ich einen guten und erfolgreichen Start in das Jahr 2021!

Foto: GaudiLab / Shutterstock.com

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