Bestreikte Airline SAS meldet Insolvenz in den USA an

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Stockholm (Reuters) - Nach der Eskalation des Tarifstreits mit ihren Piloten hat die skandinavische Fluggesellschaft SAS die Reißleine mit einer Insolvenz nach US-Recht gezogen.

Einen Tag nach Beginn des Pilotenstreiks teilte die Airline am Dienstag mit, sie habe in den USA Gläubigerschutz beantragt. Der Ausstand habe den Entschluss zu diesem Schritt beschleunigt, denn er belaste die Finanzlage und die Liquidität der Airline, sagte SAS-Chef Anko van der Werff. Ziel des Verfahrens bei einem New Yorker Gericht sei, Verhandlungen zur Restrukturierung von SAS voranzutreiben. Dabei will die Airline ihren Betrieb fortführen. Derzeit hätte sie dafür genug Liquidität. Aber bei einem längeren Pilotenstreik sehe es anders aus. "Wir fordern die Pilotengewerkschaft von SAS Scandinavia auf, ihren Streik zu beenden und sich konstruktiv an diesem Prozess zu beteiligen," sagte van der Werff.

Am Montag waren die Tarifverhandlungen der skandinavischen Fluglinie mit ihren Piloten gescheitert. Das Cockpit-Personal ging unmittelbar in den Ausstand. Nach Angaben der Gewerkschaften wollen sich fast 1000 Flugzeuglenker in Dänemark, Schweden und Norwegen an dem Streik beteiligen. Davon könnte laut SAS jeder zweite Flug mit rund 30.000 Passagiere betroffen sein - mitten im Sommerreiseboom nach der Pandemie, der europaweit mit massiven Anlaufproblemen im Flugbetrieb einhergeht. Am Dienstag fielen nach Daten der Flugbeobachtungs-Website FlightAware drei Viertel der geplanten Verbindungen aus. Der Streik kostet SAS Analysten zufolge umgerechnet fast zehn Millionen Euro pro Tag.

RINGEN UM NEUSTART

Das eingeschlagene Sanierungsverfahren nach Kapitel 11 (Chapter 11) des US-Insolvenzrechts schützt das Unternehmen für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger und erleichtert damit den finanziellen Neustart. US-Airlines nutzten häufig diese Vorschrift, um Schulden oder teure Leasingverträge abzuschütteln. Auch nicht-amerikanische Fluggesellschaften wie Aeromexico und Philippine Airlines gingen während der Corona-Krise den Weg über US-Recht, um Lieferantenverträge neu zu verhandeln. Das amerikanische Recht schützt primär das angeschlagene Unternehmen, während zum Beispiel das deutsche Insolvenzrecht in erster Linie die Gläubiger schützt.

SAS teilte weiter mit, das Chapter-11-Verfahren als bewährtes rechtliches Sanierungsmittel werde neun bis zwölf Monate dauern. Der Prozess diene dazu, sich mit allen Beteiligten auf eine Umschuldung zu einigen, das Kapital kräftig zu erhöhen und die Flugzeugflotte neu aufzustellen. Die staatlich von Schweden und Dänemark mit Anteilen von jeweils 21,8 Prozent kontrollierte Airline braucht neue Geldgeber und will Kosten senken, um für Investoren attraktiv zu werden. Die Regierung in Stockholm hatte eine weitere Finanzspritze nach dem Corona-Rettungspaket verweigert, die Dänen machten es abhängig von einer Beteiligung neuer privater Investoren. Der größte Privatinvestor Wallenberg Investments begrüßte die Entscheidung der Fluggesellschaft. Die Aktien stürzten um 14 Prozent ab.

Die Skandinavier standen schon vor der Corona-Krise unter Konkurrenzdruck der Billigflieger. Daher ringen Management und Gewerkschaften schon länger um Einsparungen. Neben den Personalkosten muss SAS die Leasingraten für Langstreckenflieger drücken, die seit dem Ausfall von Asien-Routen im Gefolge der russischen Luftraumsperrung wegen des Ukraine-Krieges am Boden stehen. SAS-Chef van der Werff kündigte Ende Mai an, das notfalls vor Gericht zu klären. "Neue Investoren werden sagen: Ihr müsst aufräumen, andernfalls investieren wir nicht", sagte er. Das Unternehmen will die jährlichen Kosten um umgerechnet 700 Millionen Euro senken, knapp 900 Millionen Euro frisches Kapital aufnehmen sowie Schulden in Höhe von 1,85 Milliarden Euro abbauen und teilweise in Aktien umwandeln. Derzeit seien noch gut 700 Millionen Euro in der Kasse, zudem stünden weitere knapp 700 Millionen Euro an Brückenfinanzierung in Aussicht.

SAS greife zu dem Mittel des Chapter 11, weil die Airline keine Verhandlungslösung über die notwendigen Veränderungen hinbekommen habe, erklärte Jacob Pedersen, Analyst von der Sydbank. Das Ganze habe keine Auswirkungen auf den Flugbetrieb. "Sie versuchen, bei voller Fahrt den Motor zu reparieren."

(Bericht von Anna Ringstrom, Alexander Hübner, geschrieben von Zuzanna Szymanska und Ilona Wissenbach; redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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