Bundesregierung und Parteien drängen auf TikTok

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Berlin (Reuters) - Bundesregierung und Parteien drängen auf die umstrittene chinesische Online-Social-Media-Plattform TikTok.

"Auch die Bundesregierung diskutiert das und ich halte das auch für richtig", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend auf einem Bürgerdialog in Dresden. Es sei wichtig, dass man auf allen Kanälen aktiv sei und wahrgenommen werden könne mit den Informationen, die man zu liefern habe, hatte der Kanzler auf die Nachfrage nach der AfD gesagt.

Ein Regierungssprecher sagte am Freitag zwar, dass es noch keine abschließende Entscheidung gebe. "Wir prüfen das jetzt, wir bereiten das vor", sagte er. Aber die Bundesregierung ist ohnehin Nachzüglerin. "Der SPD-Parteivorstand ist seit Beginn des Jahres 2024 mit dem Account 'deinespd' auf TikTok vertreten", sagte eine SPD-Parteisprecherin auf Anfrage. CDU-Chef Friedrich Merz, die Unions-Bundestagsfraktion und die Grünen-Bundestagsfraktion sind seit einigen Wochen mit eigenen Accounts vertreten - und die CDU als Partei seit Montagabend.

Hintergrund ist, dass bisher vor allem die rechtspopulistische AfD auf TikTok ein jüngeres Zielpublikum anspricht. "Wir wollen da sein, wo die jüngeren Wähler sind", sagte eine CDU-Sprecherin, die darauf verweist, dass man sich auf das besondere Format auch vorbereiten musste, das besonders kurze Videos mit Aufmerksamkeit belohnt.

Allerdings gibt es Diskussionen über die Datensicherheit auf der chinesischen Plattform. In den vergangenen Monaten hatte es eine Debatte gegeben, ob die Bundesministerien noch auf der amerikanischen Plattform X bleiben können, der mangelndes Engagement etwa gegen Hassreden vorgeworfen wird. Der Regierungssprecher verwies auch darauf, dass auf Tiktok extremistische Inhalte verbreitet würden.

Ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten Ulrich Kelber erklärte, dass es mit TikTok ähnliche Probleme der Datensicherheit wie bei anderen sozialen Plattformen gibt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte deshalb abgeraten, die TikTok-App auf Diensthandy zu installieren. "Die westlichen Regierungen stecken in einem Dilemma", sagte der Politikberater Johannes Hillje zu Reuters. Einerseits wolle man nicht eine Plattform aus einem autoritären Land verwenden. Andererseits nutzten Zweidrittel der 14- bis 18-Jährigen Tiktok.

Unter Druck geraten die Parteien vor allem durch die hohen Werte der AfD in Umfragen, gerade bei Jugendlichen. Von Anfang 2022 bis Ende 2023 hatte die AfD mehr Aktivität auf Tiktok gezeigt als alle anderen Bundestagsparteien zusammen, geht aus einer Auswertung von Hillje hervor. "Das zeigt, dass die AfD die effektivste Tiktok-Kommunikation unter den Parteien betreibt", sagte er.

Das könnte sich nun rasch ändern. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion registriert zumindest, dass ihr eigener Auftritt erstaunlich schnell teilweise millionenfache Aufrufe mit Videos erzielt. Es sei schon deshalb wichtig, dort etwa Bundestags-Reden zu posten, um Fake-News vorzubeugen.

Mitte vergangenen Jahres hatte eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ein zwiespältiges Bild ergeben. "Für eine Präsenz der politischen Mitte auf TikTok sprechen die Online-Aktivitäten der politischen Ränder", heißt es dort. "Es kann ein Wert an sich sein, ihnen etwas entgegenzustellen." Allerdings wurden die Grenzen des Einflusses betont: So belohne der Algorithmus eben nicht die abwägenden Positionen gemäßigter Parteien, sondern extreme Reaktionen radikaler Kräfte. Diese seien dadurch sichtbarer.

Hillje verwies darauf, dass das Europäische Parlament im gleichen Dilemma stecke. Den EP-Abgeordneten sei die Nutzung der App auf ihren Diensthandys verboten. "Aber das EP wirbt offiziell auf Tiktok für die Europawahl", sagte er. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt er ein gesondertes Handy für die Nutzung sozialer Netzwerke.

(Bericht von Andreas Rinke, Rachel Moore, Alexander Ratz; redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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