Israel streitet mit Westen um Abzug von UN-Truppen aus dem Libanon

Reuters · Uhr
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Jerusalem/Luxemburg (Reuters) - Israel geht im Streit um einen Abzug der UN-Truppen aus dem Süd-Libanon auf Konfrontationskurs mit dem Westen.

Entsprechenden Abzugs-Forderungen des Militärs seien die UN bisher nicht nachgekommen, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Dies hat zur Folge, dass den Hisbollah-Terroristen menschliche Schutzschilde zur Verfügung gestellt werden." Energieminister Eli Cohen erklärte am Montag auf "X", die UN hätten Israels Bürger schützen sollen. "Wenn die UN nicht helfen können, sollten sie zumindest nicht im Weg stehen und ihr Personal aus den Kampfgebieten abziehen." Die UN werfen Israel vor, die Truppen wiederholt beschossen zu haben. Nach einem neuen Zwischenfall kritisierte der EU-Außenbeauftragte Josip Borrell das Vorgehen Israels als "völlig inakzeptabel". UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat einen Abzug abgelehnt.

Jeder Angriff auf Friedenstruppen könne ein Kriegsverbrechen darstellen, hatte Guterres weiter deutlich gemacht. Unifil hatte am Wochenende einen weiteren schweren Zwischenfall mit der israelischen Armee gemeldet: Zwei israelische Panzer durchbrachen demnach am Sonntag das Tor eines Stützpunktes der Blauhelme. Nach dem Abzug der Panzer seien zudem mehrere Granaten etwa 100 Meter vom Lager entfernt eingeschlagen. Israel wiederum sprach von Gefechten mit der Hisbollah in der Nähe, die Panzer seien zur Bergung Verwundeter eingesetzt worden.

Das israelische Militär führte Journalisten am Sonntag zudem zu einem Tunnel, der 200 Meter von einem UN-Stützpunkt gegraben wurde. Nach israelischen Angaben entstand er bereits vor einigen Jahren und wurde von der Hisbollah genutzt. Man habe dort auch Waffen gefunden.

Die Unifil-Blauhelme gerieten in den vergangenen Tagen wiederholt unter Beschuss. Mindestens fünf von ihnen wurden verletzt. Die meisten Angriffe werden den israelischen Truppen zugeschrieben, die im Libanon aus der Luft und mit Bodentruppen gegen die radikal-islamische Hisbollah-Miliz vorgehen. Bei einem Drohnenangriff der Miliz auf einen israelischen Stützpunkt starben vier Soldaten.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin drang am Sonntag bei einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joaw Gallant darauf, die Sicherheit der UN-Truppen und auch der regulären libanesischen Armee zu gewährleisten.

Der EU-Außenbeauftragte Borrell sagte bei einem Außenministertreffen in Luxemburg, die Gemeinschaft habe zu lange zum Vorgehen Israels gegen die Unifil geschwiegen. EU-Länder wie Spanien, Frankreich und Italien stellten Tausende der insgesamt 10.000 UN-Soldaten in der Konfliktzone zwischen Südlibanon und Nord-Israel.

Spanien verurteilte wie zuvor Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Angriffe auf Unifil. Meloni unterstrich nach Angaben ihres Büros in einem Telefonat mit Netanjahu, dass Angriffe auf die Unifil inakzeptabel seien. Normalerweise zählt Meloni zu den lautstärksten Unterstützerinnen Israels unter den westeuropäischen Staats- und Regierungschefs. In einer gemeinsamen Erklärung hatten 34 Länder - darunter Deutschland - der UN-Friedenstruppe im Libanon ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesichert. Sie forderten alle Konfliktparteien dringend auf, die Präsenz von Unifil zu respektieren.

Israels Außenminister Israel Katz bekräftigte unterdessen seine Entscheidung, Guterres zur unerwünschten Person zu erklären. Er hatte am 2. Oktober ein Einreiseverbot gegen den UN-Chef verhängt, weil er ihm vorwirft, Irans Raketenangriff am Tag zuvor nicht deutlich genug verurteilt zu haben. Der UN-Sicherheitsrat stellte sich daraufhin demonstrativ hinter Guterres.

IRAN WARNT: BEI VERTEIDIGUNG GIBT ES KEINE "ROTEN LINIEN"

Im Zuge der eskalierenden Kämpfe zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hamas im Gazastreifen sowie der libanesischen Hisbollah hatte die Islamische Republik am 1. Oktober mehr als 180 Raketen auf Israel abgefeuert. Seither wird mit einem Vergeltungsschlag Israels gerechnet. In US-Regierungskreisen wird einem Medienbericht zufolge davon ausgegangen, dass Israel die Ziele einer eventuellen Reaktion auf Infrastruktur des iranischen Militärs und des Energiesystems eingegrenzt hat. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Israel Nuklearanlagen angreifen oder Attentate verüben wolle, berichtete der Sender NBC unter Berufung auf ungenannte US-Regierungsvertreter. Eine endgültige Entscheidung darüber, wann und wie Israel reagieren werde, sei aber noch nicht gefallen.

Irans Außenminister Abbas Araktschi signalisierte, dass sein Land einen etwaigen israelischen Angriff nicht unbeantwortet lassen würde. Bei der Verteidigung der iranischen Bevölkerung und Interessen gebe es "keine roten Linien", erklärte er.

(Bericht von Maayan Lubell, Clauda Tanios und Artorn Pookasook; geschrieben von Markus Wacket, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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