Firmen stellen seltener ein - Fachkräftemangel bleibt großes Problem

Berlin (Reuters) - Die Wirtschaftskrise wirkt sich immer stärker auf dem Arbeitsmarkt aus.
Laut Ifo-Institut halten sich wegen Auftragsflaute und mauer Konjunktur die Unternehmen mit ihrer Personalplanung so stark zurück wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr, wie die Münchner Forscher am Donnerstag mitteilten. Gleichzeitig haben 43 Prozent der Unternehmen einer DIHK-Befragung zufolge Probleme, wegen des Fachkräftemangels offene Stellen zu besetzen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das zwar ein deutlicher Rückgang um sieben Prozentpunkte. Das liege aber nicht an Erfolgen der Bundesregierung, sagte Achim Dercks von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin. "Sie suchen gar kein Personal mehr." Viele Firmen glaubten nicht daran, geeignetes Personal zu finden und auch nicht an eine baldige Belebung der Nachfrage.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte zuletzt nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitslosenzahl Anfang kommenden Jahres erstmals seit zehn Jahren wieder die Marke von drei Millionen überschreiten könnte. Die rot-grüne Minderheitsregierung hat darauf diese Woche reagiert und die Zahldauer des Kurzarbeitergeldes von zwölf auf bis zu 24 Monate ausgeweitet. Ziel sei es, Betrieben in schwierigen Zeiten mehr Planungssicherheit zu geben, um erfahrene und eingearbeitete Beschäftigte halten zu können, so Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Bei Kurzarbeit erstattet die BA 60 Prozent - bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent - des Lohnausfalls. Bei Flauten können Betriebe so eine Durststrecke überbrücken.
Dercks sagte, dies könne keine Dauerlösung sein. Die nächste Regierung müsse Strukturreformen angehen. Beispielsweise sollte das Bürgergeld überarbeitet werden, es brauche mehr Anreize, eine Arbeit anzunehmen. Außerdem müssten ältere Fachkräfte länger im Job bleiben und Zuwanderung erleichtert werden. Es brauche auch bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, damit mehr Frauen einen Job annähmen.
LAGE IN DER INDUSTRIE BESONDERS SCHLECHT
Das Ifo-Beschäftigungsbarometer - eine Umfrage unter Managern - fiel im Dezember auf 92,4 Punkte, nach 93,3 Zählern im November. Mit dem siebten Rückgang in Folge liegt der Index auf dem niedrigsten Stand seit Mitte 2020, also mitten in der Corona-Krise. "Immer weniger Unternehmen bauen Personal auf", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Dafür steigt der Anteil der Betriebe, die Arbeitsplätze abbauen wollen." Insbesondere in der Industrie hinterlässt laut Ifo die Rezession Spuren. "Nahezu alle Branchen ziehen einen Arbeitsplatzabbau in Betracht." Am stärksten betroffen sind die Metallbranche sowie die Autobauer und ihre Zulieferer. "Während im Tourismus eingestellt wird, bauen die Personaldienstleister und das Gastgewerbe eher Stellen ab."
Die deutsche Wirtschaft wird nach Prognosen der führenden Forschungsinstitute in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge schrumpfen. Für 2025 wird bestenfalls ein Mini-Plus erwartet. Die DIHK hat in ihrer aktuellen Umfrage Antworten von rund 23.000 Betrieben zu ihrer Personalpolitik ausgewertet. "Fachkräftemangel trifft auf Strukturprobleme", sagte Dercks. Er sprach von einer doppelten Wachstumsbremse. Insgesamt seien schätzungsweise 1,5 Millionen Stellen in der Gesamtwirtschaft offen - nach 1,8 Millionen im Jahr zuvor.
In der Baubranche haben laut DIHK 53 Prozent der Firmen Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung, im Tiefbau sind es sogar 61 Prozent. Im Maschinenbau beklagen sich 49 Prozent. Die Dienstleister liegen mit 43 Prozent im Schnitt. Häufig betroffen sind dem Verband zufolge Branchen, die für die Energiewende, die Digitalisierung sowie den Ausbau der Infrastruktur wichtig sind.
(Bericht von Christian Krämer und Rene Wagner.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)